Haftstrafen für Rädelsführer gefordert

Staatsanwaltschaft forderte im Prozeß um die Magdeburger Krawalle am Himmelfahrtstag Jugendstrafen bis zu zweieinhalb Jahren / Die Verteidigung plädierte unter Applaus für Freispruch  ■ Von Eberhard Löblich

Magdeburg (taz) – Im ersten Prozeß nach den ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Magdeburg am Himmelfahrtstag hat die Staatsanwaltschaft für die drei 19 und 20jährigen Angeklagten Jugendstrafen zwischen einem Jahr und fünf Monaten und zweieinhalb Jahren gefordert. Bei zwei der drei Angeklagten sei wegen der Schwere der Tat auf Haftstrafen zu erkennen, bei dem dritten Angeklagten, Steve A., überdies „wegen der erkennbar schädlichen Neigungen“. Steve A. hatten schon mehrfach vor dem Jugendrichter gestanden, in einem Fall auch wegen einer Gewaltstraftat.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vor der Schöffenkammer des Magdeburger Amtsgerichts hinreichend bewiesen, daß die drei Angeklagten in vorderster Front bei der ausländerfeindlichen Menschenjagd durch die Magdeburger Innenstadt und die anschließenden Angriffe auf die von Türken betriebene Marietta-Bar dabeiwaren. Außerdem seien die Taten langfristig geplant worden.

Weitere Zeugen hatten überdies ausgesagt, daß Marco D. und Steve A. am Abend des Himmelfahrtstages auch an dem Überfall auf ein italienisches Restaurant in Magdeburg beteiligt waren. Das, so die Anklagevertreter, sei jedoch Gegenstand eines anderen Verfahrens.

Unter dem Beifall zahlreicher Sympathisanten der Angeklagten im Zuschauerraum beantragten die drei Verteidiger gestern dagegen übereinstimmend Freispruch für ihre Mandanten. Kaum einer der Belastungszeugen habe für einen der Angeklagten eine konkrete Tatbeteiligung belegen können. Der einzige Zeuge, der alle drei Angeklagten erheblich belastete, wird von der Verteidigung als unglaubwürdig bezeichnet. Stefan K. gehört, wie er selbst in seiner polizeilichen Vernehmung und der Aussage vor der Haftrichterin zugab, zu den Rädelsführern der Ausschreitungen. In der Aussage vor der Haftrichterin belastete K. nicht nur sich selbst, sondern auch die drei Angeklagten und weitere rund 15 mutmaßlich Beteiligte an den Krawallen. Stefan K. selbst verweigerte vor Gericht die Aussage, seine Haftrichterin gab aber seine Aussagen beim Haftprüfungstermin wieder und unterstrich, daß sie diese Aussagen für glaubwürdig halte.

Weil K. kurz nach seiner Aussage aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, haben die Verteidiger der drei jetzt Angeklagten den Verdacht geäußert, daß er mit Falschaussagen seine Freilassung erkauft haben könnte. Das Urteil in diesem Prozeß soll am Freitag verkündet werden. Eberhard Löblich