Sanssouci
: Vorschlag

■ „Dokument – Stationen in der allgirls gallery

Wo gegenwärtig die Ausstellungen vom Typ „Archiv“, oder „Depot“ inflationieren, handelt es sich meist um eines nicht: um die selbstreflexive Auseindersetzung mit dem, was am Ende übrigbleibt. Das „Archiv“ gilt nicht der Frage, wie man sich im Kunstbetrieb nicht zuletzt über die beeindruckend ausgearbeitete Dokumentation des eigenen künstlerischen Werdegangs plaziert. Die Frage nach der Kunst der Dokumentation ist insofern das durchaus provokative Thema der von Cornelia Schmidt- Bleek kuratierten Ausstellung „dokument-stationen“ in der allgirls gallery, vor allem dann, wenn sich Frauen im Kunstbetrieb in Ausstellungssituationen wiederfinden, die die Dokumentation ihrer Arbeiten und Ausstellungen oft unmöglich machen. Acht Künstlerinnen, Eva Grubinger, Alice Maude-Roxby, Marion von Osten, Bettina Allamoda, Susan Turcot, Natascha Sadr Haghighian, Cornelia Blatter und Katrin von Maltzahn erweitern in der „allgirls“-Ausstellung den herkömmlichen Dokumentationsbegriff in die Frage nach der Dokumentation als Kunst, die sich am Futur 2 orientiert und einen selbstbewußten Willen zum Wissen belegt, weil dokumentiert: Wie es übermorgen gewesen sein wird. Ebenso lapidar wie souverän ist Bettina Allamodas erinnernd-konstruktiver Zugriff. „Alien steel“ liest man auf einer handschriftlichen Notiz, ist die Verwandlungsgeschichte einer kurzfristig abgesagten Multimedia-Total-Installation in Hamburg. Sie wurde nach Berlin verlegt, doch dort hielten die stählernen Objekte einer ausgelassenen Party-Klientel nicht stand. Die Alien-Fragmente, die das Original nicht mehr sind, überführt Allamoda nun in das Modell jener sehr transitorischen Ausstellung, wobei dieses Modell selbst wieder zur schön-trashigen Installation wird, das dokumentiert werden wird. Eva Grubingers „Kaffee-Station“ dokumentiert nicht Kunst, sondern das Referenzsystem der Merchandise-Artikel, die als verkaufsfördernde Maßnahmen auf originale Produkte verweisen, die in völlig anderer Form in einem völlig anderen Kontext stehen: Die Espresso-Maschine Marke Silicon Graphics und die Plastikbecher Marke MG, Museum Grubinger, Computer Aided Curating. Marion von Ostens europäische Übersetzung ihrer „Paradise Machine“-Installation im Artists Space in NYC zeigt eine Videofilmdokumentation, deren einigermaßen bedrohliches Geschehen in der Umgebung von Aktenordnern, endlosen Faxpapierschlangen und einigem Krimskrams angenehm handzahm erscheint. Anträge auf Fördermittel und anschließende Rechenschaftsberichte mindern den Schockeffekt zweier sich ständig öffnender Kühlschränke, in deren Innern die Längshälften eines menschlichen Körpers zu sehen sind. Alice Maude-Roxby entdeckte den Löffel als Erinnerungsmedium. An Ketten gelegt, stecken diese simplen Instrumente in einer mit Fotos beklebten Höhlenkonstruktion. Indem der Betrachter sie bewegt, löffelt er seine Dokumentensuppe aus: die „andere Wahrnehmung“ der Dokumentation, die in der Ausstellung einen Werkcharakter eigenen Rechts gewinnt. Brigitte Werneburg

Bis 11.8., Mi.–So. 16–19 Uhr, allgirls gallery, Kleine Hamburger Straße 16, Mitte.