Kein Emil – keine Detektive

■ Keine Alimente für das einzige Kinderliteraturhaus Deutschlands – das heißt ganz einfach: Schließung

LesArt muß das heimliche Lieblingsprojekt des Kultursenators sein. Wann immer man seinen Pressesprecher oder seinen Literaturreferenten auf das einzige Kinderliteraturhaus Deutschlands anspricht, bekommen die Herren selbst am Telefon glänzende Augen und überschlagen sich in Lobpreisungen.

Doch als letzte Woche dann die Kultureckdaten des kommenden Haushaltsjahres bekanntgegeben wurden, siehe da, da war LesArt nicht unter den zu fördernden Projekten. Das ist ein Skandal, nicht nur wegen der tasächlich vorbildlichen Arbeit des Literaturhauses (siehe taz vom 7.Juli), sondern vor allem auch, wenn man sich die lange Geschichte der politischen Zusicherungen und Vertröstungen noch einmal vor Augen hält.

Zu Beginn stand dem Projekt eine Million Mark zur Verfügung, eine einmalige Zahlung des letzten DDR-Kultusministers. Diese Mittel hat LesArt zwischen April 1993 und heute fast aufgebraucht. 1992 sagte Roloff-Momin dem Projekt eine zukünftige Förderung zu („Ich werde mich um eine institutionelle Förderung bemühen“: so will der Kultursenator die damalige Zusage allerdings heute gelesen wissen).

Die Bewilligung von Fördermitteln wurde 1993 vom Finanzsenator Pieroth jedoch mit der Begründung verweigert, einem Verein, der noch eigene Mittel besitze, stünde eine institutionelle Förderung nicht zu. Erst müßten die Eigenmittel erschöpft sein, dann würde LesArt in die Förderung aufgenommen. Und ein Konzept des Trägervereins, das ein eingeschränktes Programm vorsah, welches sich ausschließlich aus Zinserträgen der Eigenmittel finanziert hätte, wurde verworfen.

Wer nun was zugesagt oder nur angedeutet hat, ist mittlerweile auch egal. LesArt jedenfalls hat im Vertrauen auf diese Zusagen bis spätestens Ende des Jahres alle Eigenmittel tatsächlich ausgegeben und steht nun, knapp anderthalb Jahre nach der Eröffnung, schon vor der Schließung.

„Fifty-fifty“ schätzt der Pressesprecher des Kultursenators Rainer Klemke die verbleibenden Chancen von LesArt ein, bis zur Verabschiedung des Haushalts im Herbst doch noch berücksichtigt zu werden – 720.000 Mark pro Jahr wären nötig. Daß die Leute vom Literaturhaus das skeptischer sehen, ist nach zweijährigem Vertröstungsmarathon nur verständlich. Schließlich können Fördermittel jetzt nur noch durch „Umschichtungen“ im Kulturhaushalt erreicht werden. Und was soll man da noch umschichten?

Die dreieinhalb Festangestellten von LesArt können jetzt nur noch hoffen und mit dem Programm fortfahren, solange noch Geld da ist. Am 4.September wird zum Beispiel eine Ausstellung „Deutsche Bilderbuchillustrationen heute“ eröffnet, zu der allwöchentlich IllustratorInnen und AutorInnen zu Präsentation und Gespräch eingeladen sind. An eine langfristige Planung ist natürlich nicht mehr zu denken.

Zudem ist jetzt erst mal Urlaubszeit im Parlament, und das ist für Leute, die sich um die Zukunft eines Kinderliteraturhauses sorgen, eine schlechte Zeit. Kulturpolitische Sprecher und deren Vertreter und Vertretungsvertreter liegen unterm Sonnenschirm und sind chronisch unansprechbar.

Und mit denen, die da sind, ist nicht viel anzufangen: Der Pressesprecher des Jugendsenats beispielsweise hat von einem Kinderliteraturhaus LesArt sowieso noch nie etwas gehört und weiß auch niemanden, der davon was gehört haben könnte. Aber nicht nur deswegen kann LesArt auch in einen so großen Haushaltsposten wie „Jugend gegen Gewalt“ nicht aufgenommen werden.

Ein Projekt, dessen Ziel die Sozialisierung und Kommunikationsfähigkeit von Kindern ist, ist zwar auch ein Projekt zur Prävention von jugendlicher Gewalt. Doch die Landeskommission „Berlin gegen Gewalt“ erklärte, daß für neue Projekte absolut keine Luft mehr sei. Gar nicht? Jedenfalls nicht ohne eine parlamentarische Lobby. Und die gibt's für LesArt wohl nicht, die Liebschaft des Kultursenats mit dem Kinderliteraturhaus ist wohl so geheim, daß auch keine Alimente eingefordert werden können. Volker Weidermann