Polizei ließ Nazis bewußt gewähren

■ Neonazi-Polizeipanne im brandenburgischen Rüdersdorf: SPD-Innenminister Alwin Ziel ist sich keiner Schuld bewußt

Potsdam (taz) – Einer ist immer der Depp. Bei der Brandenburgischen Polizei heißt er Schadow, von Beruf Polizeirat. Er leitete den Einsatz gegen die mehreren hundert Rechtsradikale, die sich vor fast drei Wochen in Rüdersdorf bei Berlin einfanden und einen gemütlichen Abend des rechten Liedguts abhielten. Jener vom Dienst suspendierte Polizeirat allein habe es zu verantworten, daß die Polizei die Rechten nicht einfing und aus dem Dorf trieb, obgleich eine entsprechende Weisung des Innenministers vorlag. So rechtfertigte gestern Innenminister Alwin Ziel (SPD) das Versagen der Polizei.

Die Kette der Pannen und Pleiten nahm ziemlich früh ihren Lauf. Schadow, als Einsatzleiter für die polizeilichen Maßnahmen verantwortlich, entschied sich, die Weisung des Innenministers nicht zu befolgen und den Liederabend nicht zu verbieten. Er habe gedacht, die Verbotsanordnung sei unverhältnismäßig und könne die versammelten Rechten – die Angaben schwanken zwischen 400 und 900 Personen – zu Gewalttätigkeiten provozieren. Seinen einsamen Entschluß teilte er weder seinem Vorgesetzten, dem Polizeipräsidenten von Frankfurt/Oder noch dem Innenministerium mit. Die beiden übergeordneten Dienststellen wähnten sich den ganzen Samstag abend über in der Annahme, Schadow handle gemäß der Verbotsweisung. Die Einsatzkräfte, die er nach Rüdersdorf anforderte, sollten lediglich die reibungslose Rückreise der Rechten garantieren.

So unwidersprochen mochten die Mitglieder des Innenausschusses die dargebotenen Erklärungen nicht hinnehmen. Mehrere hundert Rechte ergäben immerhin eine polizeiliche „Großlage“, über die sich Polizeipäsident und Innenminister direkt unterrichten lassen sollten. Doch Hartmut Lietsch und Alwin Ziel entspannten in der heimischen Hängematte und wurden erst nach dem Konzert benachrichtigt, als schon alles vorbei war. Warum ergriff denn die Leitstelle des Innenministeriums nicht die Initiative, als der Bürgermeister Von Rüdersdorf mehrmals anrief und mitteilte, die Polizei sähe tatenlos zu, wie die Rechten feierten? Polizeiinspekteur Küpper mußte zugeben, daß auch seine Leitstelle nicht die allerschnellste an diesem Samstag abend war. Erst um 22 Uhr verständigte man aus dem Innenministerium das Polizeipräsidium Frankfurt, „als alles zu spät war“.

Einen Skandal auf der ganzen Linie blieb dies auch gestern für Frank Werner, CDU. Er forderte als Mitglied des Innenausschusses erneut den Rücktritt von Alwin Ziel. Der denkt aber gar nicht dran. Seine Behörde habe keine gravierenden Fehler gemacht, man möge doch einen mißglückten Einsatz nicht zum Maßstab für die gesamte Polizei machen. Zur Rechtfertigung seiner Gelassenheit ließ Ziel den Chef des Verfassungsschutzes eine Liste mit Äußerungen von Rechten verteilen. Beim Abhören des Nationalen Infotelefons Hamburg hatten die Beamten die schmeichelhafte Meldung aufgeschnappt, Ziel sei ein für „seine Verfolgungswut bekannter Innenminister“. roga