Sanssouci: Vorschlag
■ Traum vom Fliegen – Nervenkitzel beim Super Swing
Bungee-Sprünge sind out. Super Swing ist in. Hier findet die Geschichte der Menschheit statt: Wir haben keine Flügel und wollen doch fliegen. Außerdem soll es an den Nerven kitzeln. Höher, schneller, besser. Am liebsten: Endorphine im Zehnerpack. Super Swing eben. Potsdamer Platz: In der Luft surrt die Hitze. Ein paar Meter weiter kämpfen die Recken des Mittelalterspektakels. Touristen schleppen sich über den staubigen Ort. Und da stehen sie, die drei fast fünfzig Meter hohen knallroten Krantürme von Jörg Sowka und seinem Super-Swing-Team.
Los geht's. Die lilafarbenen Sicherungsgurte werden rund um den Oberkörper gegurtet und festgeschnallt, Karabinerhaken klicken und schon hängt man waagrecht über dem Boden an den Seilen, die soviel aushalten, daß man acht Autos dranhängen könnte. Der Seilantrieb schnarrt und es geht nach oben. Die Droge Höhenflug beginnt zu wirken. Der Seilzug stöhnt einmal kurz, dann: Stille. 45 Meter über den Dächern von Berlin und unten Menschen, fast so klein wie Ameisen. Ein Griff nach hinten zu dem Seil am Rücken, ein Ruck ... und es geht abwärts. Mit 120 Stundenkilometern steil nach unten, nichts ist, wie es vorher war, außer Schreien geht nichts mehr. Vierzig Meter in die Tiefe und dann schwingen wie in einer Riesenschaukel. Fünfzig Meter hin und fünfzig Meter her. Irgendwo sieht man die Charité und dann wieder die Philharmonie golden in der Sonne glänzen.
Und kaum hat man dem Endorphin richtig hallo gesagt, ist schon alles wieder vorbei. Die schlackernden Beine suchen zaghaft wieder festen Halt am Boden. das Herz rast noch. Ein paar Minuten dauert das Ganze nur, aber „es ist wie ein paar Minuten Urlaub“, sagt Vossi, der schon viele Male gefallen ist.
Seit drei Wochen steht die „Super Swing“-Riesenschaukel auf dem Potsdamer Platz. Von mittags zwölf bis nachts um elf können sich hier die Wagemutigen in die Tiefe stürzen. Und sie tun es. Der Jüngste, der gesprungen ist, war fünf und der Älteste 88 Jahre alt. Die Idee hatten die drei Berliner Jörg Sowka, Michael Tismier und Ingo John vor fünf Monaten. Dann kamen Planung, Bau und Absegnung durch den TÜV und schon konnte der Jungfernsprung gewagt werden. Die Rechnung mit dem ewigen Wunsch nach Fliegen geht auf. Siebzig Mark kostet es, einmal mutig zu sein. Und auch weiter rechnet sich die Sache gut, denn wer einmal gesprungen ist, bleibt süchtig. Manche springen dreimal hintereinander und kommen jeden Tag wieder. „Es ist wie eine Droge“, sagt Erfinder Jörg Sowka. Immer höher, besser, schneller und vor allem ... immer wieder. Patricia Pantel
Super Swing, bis zum 15.10. 12-23 Uhr, am Potsdamer Platz
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