Nicht nur einfach Ost-Bewußtsein

■ Die Berliner PDS-Landesvorsitzende Petra Pau über den Bundestagswahlkampf in Ostberlin und die Rolle ihrer Partei

taz: In Ostberliner Wahlkreisen wird sich im kommenden Herbst entscheiden, ob die PDS weiterhin im Bundestag vertreten ist. Angeblich steckt die PDS in Berlin drei Millionen in den Bundestagswahlkampf.

Petra Pau: Wenn man solche Meldungen liest, muß man für den Herbst eine Schlammschlacht erwarten. Wir werden uns daran nicht beteiligen. Das Profil unseres Wahlkampfes steht: Das ist die soziale Sicherung in Ost und West, Demokratisierung der Gesellschaft – also Opposition. Wir werden insgesamt 1,1 Millionen Mark dafür ausgeben, davon werden 800.000 Mark aus der Bundeszentrale der PDS kommen.

Man hat den Eindruck, die Erfolge der PDS gründen nicht nur im Verdruß mit der Einheit, sondern auch in der Rückkehr eines besonderen DDR-Bewußtseins.

Das ist nicht nur einfach Ost- Bewußtsein. Vor allem ist es wachsendes Selbstbewußtsein, Besinnung auf die eigene Kraft und die Erwartungen, die man 1989 hatte. Insofern ist es nicht nur die Wahl einer Interessenvertreterin Ost.

Es geht in der PDS wild durcheinander: Da gibt es die alten SED-Kader und solche, die kommunistische, linksautonome und sozialdemokratische Positionen vertreten. Und viele wählen PDS, die eigentlich ganz rechtskonservative Law-and-order-Vorstellungen haben. Wie lange geht ein solcher Spagat gut?

Zunächst habe ich etwas dagegen, Menschen in Schubkästen einzusortieren. Wir, wie die Linke überhaupt, befinden uns nach der Implosion des Realsozialismus auf der Suche. Mir ist nicht gänzlich egal, wie ich Stimmen bekomme. Im Moment empfinde ich diese Vielfalt aber noch als Bereicherung. Wir sind ja nicht fertig, was die programmatische Diskussion betrifft. Ich halte es für wichtig bei der Diskussion, daß diese sehr unterschiedlichen Pole sich aneinander reiben. Man darf diese Positionen nicht platt machen, sondern muß versuchen, diesen Streit möglichst lange auszuhalten, um so das Profil der PDS noch genauer zu bestimmen.

Dann kann es auch Unvereinbarkeiten geben?

Ja. Zum Beispiel im Umgang mit der eigenen Geschichte und bei der Beurteilung der DDR. Das betrifft auch den Streit um den Weg dieser Partei. Ich kann mir nicht vorstellen, Vorsitzende einer klassischen kommunistischen Partei zu sein.

Ist das auch ein Generationskonflikt?

Nein, das geht durch alle Altersgruppen. Ich erlebe junge Menschen, die sehr alt sind und umgekehrt. Für den Berliner Landesverband ist auch das Ost-West-Verhältnis sehr produktiv. Es gibt natürlich immer mal wieder die Versuchung, solche Unterschiede platt zu machen oder mit der großen Zahl der Ostberliner Mitglieder fremd klingende Diskussionen wegzudrücken. Das ist nicht gut. Wir müssen ganz bewußt die Widersprüche sowohl in der Politikauffassung und im Politikstil als auch bei den Vorstellungen über den weiteren Weg austragen. Deshalb müssen wir auch für die nächste Abgeordnetenhausfraktion Menschen aus dem Westteil nominieren.

Wie sieht die PDS in fünf Jahren aus?

Mal schauen, wo wir dann außer in Kreuzberg im Westteil Berlins noch in den BVVs sitzen. Ich gehe davon aus, daß die PDS sich noch stärker als sozialistische, radikaldemokratische Partei profiliert. Für mich gehört die PDS auch in fünf Jahren noch auf Landes- und Bundesebene in die Opposition. Das heißt, die PDS sorgt für Widerstand außerhalb der Parlamente und dafür, daß von dort Druck auf die Regierung ausgeübt wird. Die Funktion von Opposition ist dieses Treiben der Regierung, die Popularisierung von gesellschaftlichen Alternativen und die Suche nach Mehrheiten dafür weit über den parlamentarischen Raum hinaus.

Das Mißtrauen gegen die PDS und der Verweis auf die SED-Vergangenheit werden bleiben. Mit der Stasi-Frage hat sich die PDS bisher nur gezwungenermaßen und ungenügend befaßt.

Das Mißtrauen wird uns weiter begleiten. Vielleicht ist ein gesundes Mißtrauen gar nicht mal das schlechteste in der Politik. Wir haben uns zur Verantwortung bekannt für den gescheiterten Realsozialismus. Dazu gehört für mich, daß Mitglieder und Funktionsträger zu ihrer Geschichte stehen, damit wir öffentlich damit umgehen können. Das ist eine moralische Kategorie. Natürlich gibt es im Berliner Landesverband darüber sehr unterschiedliche Positionen und auch sehr heftige Auseinandersetzungen. Die sind nicht abgeschlossen.

Wäre es nicht doch besser gewesen, die PDS gänzlich neu zu gründen, eben nicht als juristische Nachfolgerin der SED?

Auch in diesem Falle wären wir heute wohl denselben Vorwürfen ausgesetzt. Es würde dann bloß heißen, wir hätten uns ein neues Mäntelchen umgehängt. Für mich ist auch noch nicht endgültig beantwortet, ob der jetzige Weg der richtige war. Aber wir sind diesen Weg gegangen, auch um die Verantwortung für die Vergangenheit deutlich zu machen. In der Mitgliedschaft muß wachgehalten werden, daß der Gründungskonsens der PDS die Entschuldigung gegenüber der DDR-Bevölkerung und der Bruch mit dem Stalinismus war.

Nimmt die Ausgrenzung der PDS in Berlin ab?

Auf bezirklicher Ebene – ja. Es gibt in den Ostberliner Bezirken in den Bezirksämtern im allgemeinen eine sachbezogene pragmatische Zusammenarbeit bis hin zur CDU. Gespräch: Gerd Nowakowski