■ Aufregung um die Kaffeepausen der Bonner Beamten
: Pinkeln streng nach Vorschrift

Bonn (taz) – Fieberhaft arbeiten die Beamten im Bonner Stadthaus derzeit am regionalen Strukturwandel nach dem Regierungsumzug. Letzte Inseln der Erholung für die KollegInnen zu sichern – das ist dabei die hochnotwendige Aufgabe der Gewerkschaften ÖTV und KOMBA (ÖTV-Spott: „Kommen Ohne Mitbestimmung Bestens Aus“): „Die Öffnungszeit der Fingerbar“, so postuliert die ÖTV in einem Flugblatt gleichsam ein Grundgesetz der Beamten, „muß unangetastet bleiben.“ Es geht um der Mitarbeiterschaft liebstes Kind: die Kaffeebar in der Kantine, aufgrund ihrer Tresen- Formation „Fingerbar“ genannt.

Personaldezernent Arno Hübner war es, der den feigen Anschlag auf die Pausen-Autonomie der KollegInnen verübt hatte. Demnach sollte der beliebte Treffpunkt nur noch von 12 bis 14 Uhr öffnen. Im Klartext: Hübner strebte die Schließung der Kaffeebar während der Kernzeiten an, in denen die Beamten laut Arbeitsvertrag ihre Schreibtische drücken müssen. Zwar dürfen die Beschäftigten im Stadthaus laut Arbeitszeitrecht erst nach sechs Stunden Tätigkeit pausieren. Die ÖTV aber kann auf einen Deal mit der Chefetage verweisen, der es den Arbeitnehmern dennoch ermöglicht, bereits eine halbe Stunde nach Dienstbeginn die Stechuhr wahlweise anzuhalten oder laufen zu lassen und sich in der Fingerbar den braunen Saft in die linke Herzkammer zu kippen: Als vor Jahren die Stechuhren im Stadthaus nicht im Erdgeschoß, sondern auf den Etagen angebracht wurden, räumte man jedem Beamten eine außerordentliche 15minütige Kaffeepause ein. Denn die MitarbeiterInnen aus den höheren Etagen, so argumentierten die ArbeitnehmervertreterInnen damals, verlören morgens im Fahrstuhl wertvolle Zeit, während der die Stechuhr bereits laufen könnte. Deshalb müßten sie das Recht haben, vorzeitig in die Kantine zu gehen.

Dieser Einwand überzeugte Hübner und verhinderte möglicherweise einen Arbeitskampf. Doch kaum war der kleine Erfolg verbucht, da waren die Gewerkschafter erneut gefordert. Der Chef des Stadtreinigungsamtes, Hans Erken, fiel den Kollegen in den Rücken. Per Umlaufmappe, so ist im Stadthaus zu erfahren, wollte der Jurist die Straßenkehrer anweisen, künftig nur noch auf öffentlichen Toiletten zu urinieren – allzuoft verrichteten sie ihre Notdurft in Cafés und Gaststätten und könnten dort, so der Hintergedanke, zu einem Bierchen verführt werden. Nachdem Erken mit diesem Versuch der Disziplinierung nur Gelächter und Kopfschütteln geerntet hatte, verschwand die Umlaufmappe wieder in der Versenkung.

Kein Grund zu voreiligem Jubel. Die Scharfmacher in Sachen Fingerbar sitzen erneut in den Startlöchern. Die Falken unter den Personalpolitikern sehnen sich nach Willi Sauerborn zurück: Der inzwischen verstorbene Beigeordnete ging früher höchstselbst durch die Fingerbar und warf ihm suspekte Kaffeetrinker kurzerhand aus dem Saal.

Die Gängelei der KollegInnen hat offenbar System. Im vergangenen Jahr hatte sich der arbeitsklimatische Temperatursturz bereits angekündigt, als die Kantine mittags nur noch alkoholfreies Bier ausschenken durfte – die Folge war eine Stigmatisierung der beamteten Freunde des Alkoholgenusses vor vier Uhr, die nun in die Gaststätte „Em Stadthüüsje“ eine Etage tiefer abgedrängt wurden.

Was aber den regionalen Strukturwandel nach dem Berlin-Beschluß der Regierung anbelangt, so wird in den Behörden Schwerstarbeit verrichtet. „Die Aktivitäten“, so Oberstadtdirektor Dieter Diekmann, „lassen sich nicht mehr steigern.“ Bernd Neubacher