■ Ernst Nolte plädiert in der FAZ für eine Rechtspartei
: Feldherr der Rechtsfront

What's right? lautete die Frage, auf die das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Wochen hinweg eine richtungweisende Antwort erwartete – allein die Zielvorgabe fiel diffus aus, auch die Wiederbelebung der Nation taugte bislang nicht, die intellektuellen Bemühungen zu focussieren. Die neokonservative Debatte dümpelt orientierungslos vor sich hin. Dem wollte am Wochenende, gleichfalls in der FAZ, der Historiker Ernst Nolte Abhilfe schaffen. Der Doyen der Neuen Rechten gab in geradezu verblüffend pragmatischer Weise dem eigenen Lager Halt und Richtung. Dem deutschen Parteiensystem, so lautet die Quintessenz seines kurzen Aufsatzes, fehle es an einer „radikalen und demokratischen Rechtspartei“. Nun mag diese Diagnose auf den ersten Blick selbst Konservative irritieren, gelang es den christdemokratischen Parteien doch gerade noch mal, was schon keiner mehr vermutet hatte: den rechten Rand wieder einzubinden.

Nolte, Meister der interpretatorischen Rechtfertigung dessen, was sich die extreme Rechte nicht zu sagen traut, begründet denn sein Anliegen auch nicht mit einem starken rechtsradikalen Wählerpotential, das nach parlamentarischer Vertretung verlange. Ihn treibt, was die radikale Rechte schon immer zur Rechtfertigung ihrer Existenz und ihrer Aktionen ins Feld führte: das Erstarken der Linken. Im vorliegenden Fall ist es der Aufstieg der PDS, der angeblich das demokratische System Deutschlands in eine Schieflage bringe und dafür sorge, daß es „weder vollständig noch unvollständig, sondern ein Zwitter“ sei.

Es ist seit der Weimarer Republik schlechte Übung der radikalen Rechten, die Kritik am demokratischen System in der Metaphorik der physischen Abnormitäten zu fassen, um solchermaßen die Gesundung des politischen (oder Volks-)Körpers als eigenes Anliegen sinnfällig zu machen. Im vorliegenden Fall hält sich Nolte gar nicht bei der durchaus debattenwürdigen Frage auf, inwieweit die PDS tatsächlich eine linke Partei ist oder ob es sich bei ihr etwa um eine temporäre Erscheinung handelt. Ihn treibt allein die Sorge, daß mit ihrer Existenz sich die Mitte verschieben könnte. Diese Mitte ist in Noltes Politikbild ein statischer Kern, die träge Masse des Systems. An ihre augenblicklichen Repräsentanten in der CDU richtet sich sein Appell. Daß sie nur „eine wahre Mitte“ sei, wenn sie auch ernstzunehmende Gegner zur Rechten habe.

An dem Aufsatz ist weniger die oberlehrerhafte und krude Begründung interessant als vielmehr die Handlungslogik, die freigesetzt wird. Warum sollte in diesem System der kommunizierenden Röhren, welches bei Nolte das Parteiensystem darstellt, den Part der rechten Druckkraft nicht auch die extreme oder gar die militante Rechte als ernstzunehmender Gegner der Mitte einnehmen? Daß beide bereit und in der Lage sind, haben doch die rassistischen Attacken im Kontext der Asyldebatte im vergangenen Jahr erwiesen.

Es ist nicht die, im übrigen nicht neue Existenz der PDS im parlamentarischen System, die Nolte aufheulen läßt, sondern ihre seit Magdeburg insinuierte Beteiligung an der Exekutive. Deshalb schäumt die FAZ. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, läßt sie den Historiker das Arsenal rechter Drohgebärden öffnen. Gleichermaßen Warnung an die Sozialdemokraten wie Appell an die eigenen Reihen, die Stellung in den Gräben zu beziehen. Daß solchermaßen rechtsradikale Kräfte hoffähig werden, wird nicht billigend in Kauf genommen, sondern gefordert und medial gefördert.

Die Tatsache, daß der Aufsatz erneut belegt, wie sehr die Rechte konzeptionell allenfalls als Reflex auf die Linke agiert, ja, daß sie die Linksfrontstellungen bezieht, die letztere schon vor Jahrzehnten verlassen hat, mithin uneingestanden ihre strategische Abhängigkeit offenbart, belegt wieder einmal die Schwäche der Rechten. Das ist aber dennoch kein Trost. Dieter Rulff