Ungleich härter als im Normalvollzug

■ Rund 3.000 Menschen werden Tag für Tag unter Verschluß gehalten, nur weil sie in Deutschland unerwünscht sind

Ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes konnte Bundesinnenminister Kanther (CDU) sich auf die Schulter klopfen: Das Regelwerk hatte den propagierten Erfolg gebracht, die Zahl der Asylbewerber war um fast zwei Drittel gesunken. Eine andere Zahl ließ sich politisch nicht ganz so gut verkaufen: Seit der Änderung des Asylrechts werden dreimal mehr Ausländer in ihre Heimat abgeschoben als im Jahr zuvor. 36.000 mal meldete die Zwangsmaschinerie Vollzug. Was die Zahlen nicht sagen: Rund 3.000 Menschen werden Tag für Tag nur deswegen hinter Gefängnismauern unter Verschluß gehalten, weil sie in Deutschland unerwünscht sind. Ihr einziges „Verbrechen“ ist der Verdacht, daß sie nach dem Scheitern ihres Asylantrags das Land nicht freiwillig verlassen werden.

Während die Untersuchungshaft für Straftäter auf maximal sechs Monate begrenzt wurde, dehnte das 1990 verabschiedete Ausländergesetz die Dauer der Abschiebehaft auf 18 Monate aus. Im Normalfall soll die „Sicherungshaft“ nicht länger als sechs Monate dauern. Sie kann aber um ein Jahr verlängert werden, wenn der Ausländer selber seine Abschiebung verhindert. Als „Verhinderung“ werten die Behörden dabei schon, wenn ein Ausländer keine gültigen Reisepapiere hat und sich weigert, dabei mitzuwirken, die Dokumente von seinem Heimatstaat zu bekommen. „Haftdauer-Exzeß“ nennt der Ausländerrechtsexperte Hans Heinz Heldmann diese Sondervorschrift.

Auch die Haftbedingungen sind oft ungleich härter als im normalen Strafvollzug. Rein rechtlich dürften zur Ausreise aufgeforderte AusländerInnen nicht mit Straf- oder Untersuchungshäftlingen zusammen eingesperrt werden. Dennoch landet ein Großteil der AusländerInnen im normalen Strafvollzug. Mit der Asylrechtsänderung bereiteten die Politiker zwar den Weg zum Abschiebeboom, scherten sich aber nicht um die praktische Umsetzung. In den Zellen herrschen „unmenschliche Zustände“, kritisieren auch Gefängnisgeistliche und Richter. Restlos überbelegte Zellen, unhaltbare hygienische Zustände, mangelhaft ausgebildetes, restlos überfordertes Personal, keine Dolmetscher, Spannungen zwischen den verschiedenen Nationalitäten. Mit Sorge beobachten Gefängnisseelsorger und Flüchtlingsgruppen den Anstieg von Depressionen und Suizidversuchen. Allerdings mehren sich auch die Protestaktionen der Betroffenen. Daß es unter diesen Bedingungen jetzt in Kassel zum „Knall“ gekommen ist, dürfte die Verantwortlichen kaum überrascht haben. Vera Gaserow