Asyl nur für staatlicherseits Verfolgte

■ Weil Algerien „Abtrünnige“ ungern wieder aufnimmt, sitzen Hunderte über Monate in deutscher Abschiebehaft

Eine „nicht hinnehmbare Verzweiflungstat“ ist die Geiselnahme laut Herbert Leuninger. Für den Chef von Pro Asyl ist es kein Zufall, daß die Meuterer von Kassel mehrheitlich Algerier sind. Denn in Algerien seien der „gegenseitigen Barbarei“ von Militärregime und islamischen Fundamentalisten in den vergangenen Jahren 4.000 Menschen zum Opfer gefallen.

Seit im Dezember 1991 in Algerien die ersten freien Wahlen kurzfristig abgebrochen wurden, herrscht dort ein blutiges Gemetzel. Islamisten, die sich um den erwarteten Wahlsieg betrogen fühlten, machen seither Jagd auf Repräsentanten des Staates. Die „Sicherheitskräfte“ revanchieren sich mit Massenverhaftungen, Folter und Mord. Zwischen die Fronten geraten dabei Intellektuelle, die gegen einen Gottesstaat sind, aber auch am Regime herummäkeln. Hunderte SchriftstellerInnen, JournalistInnen und MenschenrechtlerInnen wurden in den letzten Monaten ermordet. Da in dem schleichenden Bürgerkrieg auch alte Rechnungen beglichen werden, lassen sich nur selten zweifelsfrei politische Motive nachweisen.

Reklamiert ein Algerier in der Bundesrepublik für sich den Status des Flüchtlings, so haben die Behörden zu prüfen, vor wem er geflohen ist. Nur wer von staatlicher Seite verfolgt wird, hat hierzulande Anspruch auf Asyl. Die Behörden berufen sich dabei auf eine enge Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention. Dies hat zur Folge, daß nur eine Minderheit von AlgerierInnen in Deutschland Schutz finden. Von 176 im Juni von AlgerierInnenn gestellten Erstanträgen auf Asyl wurden nur elf positiv beschieden. Die besten Chancen haben prominente Islamisten. AlgerierInnen, die ihren Namen auf den Abschußlisten islamistischer Todesschwadrone wähnen, landen dagegen häufig in Abschiebehaft.

Die algerischen Behörden sind nicht darauf erpicht, die „Abtrünnigen“ wieder aufzunehmen. Wer im Ausland Asyl beantragt hat, gilt kaum als loyaler Bürger. Obwohl die deutschen Behörden den algerischen Stellen vor Abschiebungen die Personaldaten und Angaben zu Familie und Bekannten übermitteln, akzeptiert Algerien pro Tag maximal fünf Personen. Hunderte AlgerierInnen sitzen daher, wie die Meuterer von Kassel, über Monate in Abschiebehaft. Bereits Ende April revoltierten in Leverkusen und Büren algerische Abschiebehäftlinge. Flüchtlingsinitiativen verlangten damals von deutschen Behörden, ihre Entscheidungskriterien der algerischen Realität anzupassen und Flüchtlingen Schutz zu bieten, egal von wem sie verfolgt werden. Thomas Dreger