Deutsches Plutonium weltweit

■ Atomstromer PreussenElektra sucht einen Ausweg aus dem nuklearen Entsorgungsnotstand

Berlin (taz) – Der atomare Brennstoffkreislauf bricht zusammen: Um das Plutonium loszuwerden, das die PreussenElektra aus der Wiederaufarbeitung abgebrannter Kernbrennstoffe in La Hague zurücknehmen muß, will der größte deutsche Atomstromproduzent seine Verträge mit der französischen Cogema an die deutsche Wirklichkeit anpassen. Künftig soll in der Normandie für den Hannoveraner Stromkonzern grundsätzlich nur noch soviel Plutonium aus den verbrauchten Brennstäben zurückgewonnen werden, wie in den Atomkraftwerken in Form von Uran- Mischoxid-Brennelementen (MOX) wieder eingesetzt wird. Weil die strahlenden MOX-Brennstäbe teuer und schwer zu handhaben sind, setzen die AKW-Betreiber viel lieber auf frisches Uran.

Diese bislang geheimen Vereinbarungen, auf die sich PreussenElektra und Cogema Anfang Mai grundsätzlich verständigten, signalisieren die Kehrtwende. Nach der Flucht aus Wackersdorf im Jahr 1989 läutet die Veba-Tochter PreussenElektra jetzt das Ende der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente im Ausland ein. Die Politiker, die das „nationale Entsorgungskonzept“ inklusive Wiederaufarbeitung ebenso für „unverzichtbar“ erklärten wie nach dem Wackersdorf- Coup der Veba die Wiederaufarbeitung in Frankreich und England, werden von den Konzernherren wieder einmal vor vollendete Tatsachen gestellt.

PreussenElektra und Cogema können sich auch eine andere, noch brisantere Variante vorstellen: Falls Cogema zur Auslastung seiner Wiederaufarbeitungs-Kapazitäten darauf besteht, mehr Strahlenstoff durch seine Anlagen zu schicken, als PreussenElektra künftig in MOX-Brennelementen einsetzen will, könne das „daraus entstehende Plutonium durch die Cogema oder einen den beiden Partnern genehmen Dritten übernommen werden“, heißt es in einem als „Entwurf“ gekennzeichneten Papier vom 25. Mai, das Greenpeace gestern veröffentlicht hat. Ein skandalöser Satz, weil weder Cogema noch PreussenElektra ohne Zustimmung staatlicher Stellen und internationaler Überwachungsgremien frei über den Bombenstoff Plutonium verfügen dürfen. Mit dem geplanten Abkommen, schimpfte gestern der Greenpeace-Atomexperte Roland Hipp, versuche PreussenElektra, „mehrere Tonnen dieses hochbrisanten Stoffes an den Bombenbauer Frankreich weiterzugeben oder es gar auf dem Weltmarkt zu verschachern“. „Abenteuerlich“ findet PreussenElektra-Sprecher Peter-Carl Rühland diese Interpretation. Er wollte die Existenz des Papiers gestern weder bestätigen noch dementieren. Zur Zeit gebe es mit Cogema „keine Verhandlungen über die Verträge von 1990“. Aber Gespräche, auch mit dem britischen Partner BNFL. Ziel sei es, nur soviel Plutonium im Ausland wiederaufarbeiten zu lassen, wie anschließend in MOX-Elementen eingesetzt werden könne. Der Rest solle „direkt endgelagert“ werden. Allerdings befindet sich der Stromriese in einer Zwangslage: Die Verträge von 1990 sehen vor, daß für die vereinbarte Wiederaufarbeitung auch dann eine „Nichterfüllungsgebühr“ zu entrichten ist, wenn die deutsche Seite teilweise oder vollständig darauf verzichtet. Gerd Rosenkranz