Ein Berg aus Hafen-Schiete

■ In der riesigen Deponie Seehausen wird jetzt Schlick getrocknet bis zur Stichfestigkeit/ 1 Milliarde kosten 20 Jahre Schlickentsorgung

Bremen bekommt zur Jahrttausendwende einen zweiten Hügel: südlich von Seehausen wird er 30 Meter hoch in den Himmel wachsen. Baustein ist getrockneter Hafenschlick. Noch aber müssen auf Bremens größter Baustellte täglich 300.000 Mark verbaut werden, damit bis Oktober fünf Entwässerungsfelder und im nächsten Frühjahr die restlichen zehn Felder aufnahmebereit sind.

Der Schlick stammt zum Beispiel aus dem Neustädter Hafen: dort landen jährlich rund zwei bis drei Meter Schlick an. Der Hafen muß jährlich ausgebaggert werden. Der Europahafen dagegen war das letzte Mal vor acht Jahren unter der Schaufel. Die Häfen müssen 9 bis 11 Meter tief sein – bezogen auf den Niedrigwasserstand.

Bislang wurde der Schlick auf sogenannte Spülfelder geleitet – zum Beispiel auf Felder bei Hasenbüren, bei Lemwerder ... „Heute sind wir schlauer“, sagt Häfensenator Uwe Beckmeyer, „heute behandeln wir den Boden, als sei er Abfall.“ Das Baggergut steckt voller Schwermetalle und ist damit als Düngemittel gar nicht geeignet. Lange haben die Hafenstädte Hamburg und Bremen nach einer Lösung gesucht, den Schlick in ein „Wirtschaftsgut“ umzuwandeln, damit sie nicht die ganze Menge flächenfressend deponieren müssen. Nun sei Bremen im Verein mit der Firmengruppe Hegemann fündig geworden, sagt Beckmeyer: Statt wie bisher das nasse Baggergut zur Endlagerung auf Spülfelder zu verteilen und das Spülfelddrückwasser über Gräben in die Weser zu leiten, wird das nasse Baggergut nur zum Trocken auf Entwässerungsfelder geleitet. Das Wasser wird in geschlossenem Kreislauf abgeleitet und neugebaggertem dickflüssigem Schlick wieder zugefügt. Nur noch den abstichfähigen trockenen Schlick deponiert man: Trocken läßt er sich platzsparend stapeln – eben zum Berg. Anlage und Betrieb kosten in 20 Jahren 1 Milliarde Mark (inklusive der 20 Leute, die dort arbeiten).

Neu ist nicht nur das platzsparende Verfahren, neu ist vor allem die Wiederverwendung von Schlick: Mit entgiftetem Schlick werden die Straßen auf dem Deponiegelände gebaut, die Entwässerungsfelder eingefaßt ... Fünf Jahre lang wird man so den Schlick auf der Deponie noch verbauen können. Dieser „Bau-Schlick“ wird auch entgiftet: Mithilfe von Zusatzstoffen lagern sich die Schwermetalle dauerhaft in Mineralgitter ein. Auch die schlickbelastete Hafenstadt Hamburg interessiert sich jetzt für das Bremer Verfahren.

Das neue Abfallgesetz verlangt aber nicht nur die Wiederverwertung,sondern auch die Vermeidung. Nun, meint der Häfensenator, 100prozentig vermeiden läßt sich Schlick im Hafen nicht. Durch strömungstechnische Maßnahmen habe man allerdings die Schlickmasse im Neustäder Hafen halbieren können: Man schloß den Hafenkanal von der Lankenau bis zur Weserinsel, die Sedimente werden jetzt weiter fortgetragen.

Das Gebiet, das heute umgewühlt wird, erschien vielen BremerInnen einst wie naturgbelassenes Grünland. War's aber nicht: Rund 100 Hektar der jetzt von der Deponie beschlagnahmten 135 Hektar waren früher Spülfelder. Dennoch werden die ganzen 135 Hektar an anderer Stelle wieder naturschützerisch ausgeglichen: Das ehemalige Spülfeld Hasenbüren zum Beispiel wird als Sandbiotop hergerichtet. Bei Vor- und Hinterwerder schleift man den Sommerdeich zwei Meter runter, damit das mittlere Tidehochwasser drüberläuft und sich dort vielleicht Röhricht ansiedelt. Das Grünland zwischen Klärwerk und Deponie ist zwar schon jetzt Vogelbrutgebiet, wird aber künftig frühjahrs derart unter Wasser gesetzt, daß vielleicht auch die Uferschnepfe dort Eier legt. cis