Dallas bei Türkiyemspor

Trainer und Vorstand des Vereins bezichtigen sich gegenseitig der Schurkerei / Der entlassene Trainer Oertwig wittert ein Komplott  ■ Von Andreas Pfahlsberger

Der Kreuzberger Fußballverein Türkiyemspor kommt nicht zur Ruhe. Vor zwei Wochen wurde das Vorstandsmitglied Nicolaus Tautrims wegen vereinsschädigenden Verhaltens aus dem Verein ausgeschlossen. In der vergangenen Woche folgte die Entlassung des erst vor einem Monat verpflichteten Trainers Hans-Joachim Oertwig. Nun beschuldigen sich die Beteiligten gegenseitig.

Dem Trainer wird vom Verein vorgeworfen, einen Teil des Geldes, das er zur Verpflichtung neuer Spieler erhalten hatte, in die eigene Tasche gesteckt zu haben. Durch einen Zufall habe der Verein davon erfahren, erklärte der 1. Vorsitzende Ender Ertan. Im Gespräch eines Spielers mit einem neuen Teamkollegen habe sich herausgestellt, daß für diesen Spieler keine Ablösesumme fällig gewesen sei, Oertwig aber dem Verein 12.500 Mark in Rechnung gestellt habe.

Nachforschungen ergaben weitere Differenzen. „Als Oertwig wohl von den Nachforschungen des Vereins erfahren hatte, ließ er Spieler Gelder quittieren, die ihnen angeblich vom Verein zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt werden würden“, so der Vorsitzende Ertan. „Da dies im Beisein des Co-Trainers geschah und die Spieler keinen Grund sahen, Oertwig zu mißtrauen, unterschrieben sie.“ Oertwig habe so die fehlende Summe auf die Spieler verteilt, die er für sich zurückbehalten hatte. Die einzig mögliche Konsequenz sei die Entlassung des Trainers gewesen.

Gänzlich anders stellt Trainer Hans-Joachim Oertwig die Situation dar. „Ich habe so etwas überhaupt nicht nötig“, sagt er und verweist auf seine gute finanzielle Situation. Mehrmals habe er sogar aus der eigenen Tasche aushelfen müssen, da der Verein die notwendigen Mittel nicht sofort aufbringen konnte. Mit Hilfe einer handschriftlichen Liste, auf der alle Beträge aufgeführt sind, will Oertwig nachweisen, daß die Beschuldigungen von Türkiyemspor aus der Luft gegriffen sind. Lediglich eine geringe Summe habe er zurückgehalten, um einigen Spielern gemachte finanzielle Zusagen einhalten zu können. Gegen seine Version spricht allerdings, daß er noch am Tag seiner Entlassung dem Verein einen Scheck über eben die Summe überreichte, die er von den Transfergeldern abgezweigt hatte.

Oertwig beharrt auf seiner Version. Ganz im Gegenteil schulde der Verein ihm noch Geld. Ob er dies bekäme, sei aber sehr zweifelhaft: „Türkiyemspor schuldet noch vielen Leuten Geld. Spielergehälter werden nicht gezahlt, Rechnungen bleiben offen.“ Ähnlich stellt der ehemalige Schriftführer Nicolaus Tautrims die Lage dar. Er war vom Vorstand aus dem Verein ausgeschlossen worden, nachdem er mit Hertha Zehlendorf Verträge über den Wechsel zweier Spieler unterzeichnet hatte und geringere Ablösesummen kassierte, als ursprünglich von Türkiyemspor gefordert. „Es lag ein einstimmiger Vorstandsbeschluß über die Höhe der Ablösesumme vor, und Herr Tautrims ist überhaupt nicht zeichnungsberechtigt“, sagt dazu Ertan. „Sein eigenmächtiges Vorgehen ist nicht zu rechtfertigen.“ Zudem hatte Tautrims dem Verein den Scheck von Zehlendorf über 25.000 Mark über zwei Wochen vorenthalten.

„Ich habe dieses Geld zurückgehalten, um ausstehende Forderungen des ehemaligen Trainers begleichen zu können, ein möglicher Arbeitsgerichtsprozeß würde den Verein ungleich mehr kosten.“ Auch sei es angesichts der Finanznöte des Vereins besser gewesen, die von Zehlendorf angebotene Summe anzunehmen. Nach einer dreimonatigen Sperre sind Amateure ansonsten ablösefrei. Tautrims vermutet, daß diese Forderungen gar nicht beglichen werden sollen. Eine Mitgliedervollversammlung solle nun entscheiden, ob sein Verhalten vereinsschädigend war. Ob die Mitglieder seine Meinung teilen, ist zweifelhaft, denn schon länger ist Tautrims im Verein umstritten.

„Tautrims ist ein Guter, und ich bin ein Guter“ – für Hans-Joachim Oertwig ist die Sachlage dagegen klar. Er sieht sich als Opfer einer Rufmordkampagne, die mit einem Ereignis von vor fünf Jahren zusammenhänge: Im April 89 war der damals für die Reinickendorfer Füchse arbeitende Trainer in einem Spiel bei Türkiyemspor auf den Platz gelaufen. Ein Ordner von Türkiyemspor schob ihn vom Rasen, und Oertwig fiel dabei so unglücklich, daß er mit der Trage weggebracht werden mußte. Erst nach einer längeren Pause konnte er die Trainerarbeit fortsetzen. Da dem Kreuzberger Verein dieser Vorfall damals sehr geschadet hat, glaubt Oertwig an einen möglichen Racheakt.