Forderungen der „Reistrommel“ zum Teil erfüllt

■ Justizsenatorin hält Berichte zu Polizeiübergriffen auf Vietnamesen für glaubwürdig

Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit (SPD) und Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) reagieren auf den öffentlichen Druck, die schweren Vorwürfe von Vietnamesen gegen Polizeibeamte aufzuklären. Beide haben sich in der gestrigen Sitzung des Senats darauf verständigt, vietnamesischen Opfern und Zeugen von Polizeiübergiffen für die Dauer der Ermittlungen und möglicher Gerichtsverfahren eine befristete Duldung auszusprechen – allerdings nur, wenn sie ihren Wohnsitz in Berlin haben.

Da nach Angaben von Heckelmann ein „erheblicher Anteil“ der Opfer und Zeugen in anderen Bundesländern gemeldet sei, wolle er die dortigen Kollegen um eine entsprechende befristete Duldung bitten. Ihm sei jedoch bislang kein betroffener Vietnamese aus einem anderen Bundesland mit Name und Adresse bekannt. Die Justizsenatorin bemüht sich darüber hinaus, bei Opfern oder Zeugen, die Bagatelldelikte wie illegalen Zigarettenhandel begangen haben, eine Einstellung anhängiger Verfahren zu erreichen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in 26 Fällen gegen Polizeibeamte, die vor allem vietnamesische Zigarettenhändler mißhandelt haben sollen. In 22 Fällen werde von Amts wegen ermittelt, berichtete Peschel-Gutzeit. Davon sollen in zwei Fällen insgesamt acht Polizeibeamte namhaft gemacht worden sein, denen Körperverletzung vorgeworfen wird. In zwei weiteren Fällen sei die Staatsanwaltschaft kurz davor, die Namen von Polizisten herauszufinden. Ein Fall, der bereits im Janaur dieses Jahres von dem Betroffenen angezeigt worden war, soll im Herbst vor Gericht verhandelt werden.

In 26 oder 27 Fällen führe die Polizei disziplinarrechtliche Vorermittlungsverfahren, sagte Heckelmann. Die Vorwürfe gegen die acht namentlich bekannten Polizisten konnten nach seinen Angaben nicht derart erhärtet werden, daß die Beamten vom Dienst suspendiert werden mußten.

Die Darstellungen über Polizeiübergriffe, die überwiegend von bislang anomym gebliebenen Zeugen gegenüber der Beratungsstelle für Vietnamesen „Reistrommel e.V.“ abgegeben wurden, hielt Peschel-Gutzeit für glaubwürdig: „Es gibt keinen Anhaltspunkt für eine Übertreibung, in den Gedächtnisprotokollen wird nicht dramatisiert.“

Mit ihrer Vereinbarung sind Justiz und Inneres weitgehend auf die Forderungen der „Reistrommel“ eingegangen. Die Beratungsstelle wollte neben der befristeten Duldung auch eine Zusage auf Straffreiheit erreichen. 24 Zeugen seien dann umgehend zu einer Aussage bereit. Diese Zusage schließe das geltende Strafrecht allerdings aus, sagte Peschel-Gutzeit. Auch in Brandenburg, wo ebenfalls wegen Übergriffen ermittelt wird, gehe es nur um die Einstellung von Verfahren. Brandenburger Ermittlungsbeamte haben Opfer und Zeugen inzwischen in den Räumen der „Reistrommel“ befragt. Dirk Wildt