Weißhaarige Herren leisten Widerstand

■ Sympathisanten der hungerstreikenden RAF-Gefangenen besetzen Konsistorium

Damit hatten die 15 Sympathisanten der hungerstreikenden RAF-Gefangenen nicht gerechnet, als sie gestern das Konsistorium der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg besetzten: Die friedensliebenden Kirchenmitarbeiter leisteten heftigen Widerstand. „Einige uralte, weißhaarige Herren haben mit unglaublicher Militanz an unserem Transparent gezogen“, berichtete der Sprecher der Gruppe nach der Aktion ganz fassungslos. „Die waren offen gewalttätig.“

Das Konsistorium liegt in einem Plattenbau am Spittelmarkt. Aus Anlaß des Hungerstreiks von zwölf Gefangenen des RAF-Hardliner-Flügels besetzten gestern mittag einige Männer und Frauen das Büro des in Urlaub weilenden Bischofs. Ursprünglich wollten sie ein Transparent für die seit 23 Jahren inhaftierte Irmgard Möller aus dem Fenster hängen und eine Pressekonferenz abhalten. Doch dazu kam es aufgrund der Gegenwehr der alten Herren nicht.

Dann griff der Probst Hans- Otto Furian ein. Der 63jährige Mann mit weißen buschigen Augenbrauen ist der zweithöchste Geistliche der Kirche. Er versprach den Besetzern, sich telefonisch bei der Anwältin von Irmgard Möller nach dem Gesundheitszustand und der Haftsituation der Gefangenen zu erkundigen. „Einige der jungen Leute sind von dem Leid der langjährigen Inhaftierten echt betroffen“, schilderte Furian später seinen Eindruck von seinen Gesprächspartnern. „Für andere scheint die Aktion aber nur ein Mittel zu sein, um etwas zu instrumentalisieren.“ Er habe jedoch sehr deutlich gemacht, daß er es nicht korrekt finde, „einen politischen Gegner über den Haufen zu schießen“, sagte der Probst, der viele Jahre seines Lebens als Pfarrer im Oderbruch zugebracht hat. „Wir leben doch nicht in einer Bananenrepublik.“ Außerdem habe er darauf hingewiesen, daß die Haftsituation der RAF-Gefangenen in Stammheim im Hinblick auf die Zustände in Bautzen zu DDR- Zeiten keinesfalls einmalig sei.

Nach dem Versprechen des Probstes, Irmgard Möllers Anwältin zu kontaktieren, zogen die Besetzer auf die Straße ab. Eis löffelnd und Zigaretten rauchend boten sie den Fotografen dort noch eine Weile ihre Transparente feil, bevor sie verschwanden. Die Gesichter hatten sie abgewandt oder hinter Sonnenbrillen verborgen, um nicht erkannt zu werden. „Wir sind Leute, denen es wichtig ist, in so einer Situation spontan zu reagieren“, suchte der Sprecher mühsam nach einer Sprachregelung für seine zwischen 20 und 30 Jahre alten Mitstreiter. Vom „klassischen autonomen Sozialhilfeempfänger“ bis zum 40-Stunden-Arbeiter sei alles vertreten. Die Begriffe „Hardliner“ oder „harter Kern der RAF“ wollte er für die hungerstreikenden Gefangenen nicht verwendet wissen. „Die zwölf sind das Gefangenen-Kollektiv, das sich neu konstituiert hat.“ Plutonia Plarre