■ Daumenkino
: Straßen der Bronx

Wer von Robert de Niros Regiedebüt Abgründiges erwartet hat, so einen Raging Bull hinter der Kamera, sieht sich sanft in den Kinosessel zurückgedrückt. Aus Good Fellas and Busfahrers ist sein Bronx Tale gestrickt, und in diesem Märchen ist die Mafia, was sie vielleicht vor hundert Jahren noch war: Schutzheilige, soziales Netzwerk, ein katholisch-amerikanischer Traum. Entsprechend wurde dieser Bronx Tale in Queens gedreht, weit weg von den Mean Streets, wo man wochenlang an langen Einstellungen arbeiten und sich in die Nachbarschaft einfädeln kann. Ein kleiner Junge, Calogero mit puttenhaft gelocktem Haar, Sohn eines rechtschaffenen Busfahrers, beobachtet, wie Sonny, der Wise Guy des Viertels, einen Mann erschießt. Weil Calogero ihn nicht verrät, hat er von nun an zwei Väter: De Niro als vernünftigen Sixties-Poppa im gestärkten Hemd, und Chezz Palminteri als sexy Sleazeball, der dem Jungen die ersten Initiationen auch ins Geschlechtliche verpaßt („Wenn sie, während du ums Auto herumgehst, den Türknopf hochdrückt, ist sie in Ordnung“).

Die Sixties, die hier entstehen, sind, ein bißchen wie die von Oliver Stone, die Zeit vor dem Sündenfall, den man dann bei Scorsese zu sehen bekommt. Meist ist schönes Wetter, man hört wirklich alles von „Nights in White Satin“ über „Strange Brew“ bis „Come Together“; die Doo- Wop-Passagen sind von echtem Straßensound unterlegt, die De Niro seinem Musikchef Butch Barbell verdankt, der früher selbst bei den Earls sang. Die Menschen, auch die vielen Laienschauspieler aus Pennsylvania, gehen einher mit dieser gewissen „Actors Studio“-Relevanz, sind andererseits aber auch so cute, als kämen sie direkt von der Penny Lane.

Das ist vorbei, wenn die Sixties vorbei sind. Zum Ende von In den Straßen der Bronx prügeln sich die Italiener mit den Schwarzen, Burn, Baby, Burn, die ersten Autos explodieren, und Bars brennen, Kennedy ist mausetot, und die Wise Guys wenden sich dem Heroin und der Datenverarbeitung zu. mn

„In den Straßen der Bronx“. Regie: Robert De Niro. Mit: Robert De Niro, Chazz Palminteri, u.a. USA 1993, 121 Min.