■ Afrika gelang nicht, Tragödien wie die Ruandas zu verhindern / Die OAU sollte ihre Aufgabe ernster nehmen
: Wir müssen uns endlich selbst helfen!

Ruanda, so der nigerianische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka jüngst, sei ein Schlachthof. Ruanda ist nicht mehr. Es ist kein Land mehr, sondern ein riesiges Schlachtfeld, auf dem die starke Hutu-Mehrheit die schwache Tutsi-Minderheit richtete. Heute wissen wir: Es war ein klar geplantes Pogrom.

Auch jetzt noch, wo die triumphierende, von Tutsi dominierte „Ruandische Patriotische Front“ (RPF) das Land übernimmt, wuchert das Mißtrauen. Immer noch ist der Haß, der die Hutu dazu brachte, Tutsi zu massakrieren, geradezu greifbar. Und immer noch bleibt die Grundsatzfrage unbeantwortet, was denn die Minderheit tun könne und müsse, um sich gegen die Mehrheit durchzusetzen, besonders dann, wenn diese sich gegen eine Zusammenarbeit ausspräche.

Aber vor all diesen Überlegungen steht immer noch die Gegenwart, stehen Seuchen wie die Cholera, die sich ihre Opfer gefräßig holt. Tote Körper überall; sie werden von Flüssen angeschwemmt, sie verwesen in den Straßen, in Büschen oder in Massengräbern. Auch die Situation in den Flüchtlingslagern der Nachbarstaaten Zaire und Tansania sieht nicht besser aus.

Ruanda bedeutet für den gesamten afrikanischen Kontinent das eklatanteste und beschämendste Scheitern. 37 Jahre nachdem Ghana den afrikanischen Marsch in die Unabhängigkeit und Freiheit anführte, sollten Afrikas Führer endlich das Problem von Ethnizität, oder, wie im Falle Somalias, der Clanstrukturen, beim Namen nennen.

Mehr als dreißig Jahre lang war immer der Kolonialismus an allem schuld. Man hat den Afrikanern erzählt, der weiße Mann habe sie getrennt und gespalten, um sie besser beherrschen zu können. Ironie der Geschichte ist, daß der ruandische Präsident Juvénal Habyarimana Tutsi diskriminierte, jedoch nicht gleich alle Hutu favorisierte, sondern nur jene aus dem Norden des Landes, von wo er selbst stammte. Wie es ihm gefiel, speziell wenn es um den eigenen Machterhalt ging, spielte er die Hutu gegen die Tutsi aus. Ging etwas daneben, konnte es durchaus passieren, daß er die Hutu des Nordens gegen jene vom Süden aufhetzte. Die „Teile und Herrsche“-Konzeption des Theoretikers des Britischen Empire, Lord Frederick Lugard, feierte so fröhliche Urständ in Ruanda – und alles ohne den kolonialen Supervisor.

Es ist nicht uninteressant, zu betrachten, wie hier in Kenia Präsident Daniel arap Moi auf die traumatischen Ereignisse in Ruanda reagiert. Ihm zufolge sei das Land wegen des Getöses, das um Demokratie gemacht werde, ins Chaos gestürzt worden. Es fällt leicht, den Präsidenten als Apologeten diktatorischer Zustände zu entlarven. Aber auch in Tansania hört man ähnliche Töne: Dort sind es auch die Gegner eines Mehrparteiensystems und der jungen Oppositionsparteien, die auf Ruanda deuten: Es sei eine Fallstudie, welch verheerenden Schaden eine pluralistische Politik anrichten könne.

Doch das Verhängnis in Ruanda ist einzig Ergebnis der Politik Habyarimanas. Sie kulminierte in der Militarisierung der Hutu, auch und gerade weil er zur Teilung der Macht nicht bereit war.

Interessant ist auch noch die Position des ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni. Ihn hat man beschuldigt, seine Finger bei der Invasion der RPF mit im Spiel gehabt zu haben. Denn ein Großteil von deren Truppe seien Angehörige seiner „Nationalen Widerstandsarmee“ gewesen. Was Wunder, daß Museveni die ehemalige „herrschende Clique“ in Ruanda als Menschenschlag bezeichnet, der besser nie an die Töpfe der Macht gelangt wäre.

Die Tragödie von Ruanda kann sich in anderen afrikanischen Ländern wiederholen. Ländern, deren Führer auch dem Prinzip tribalistischer Hegemonie und des Hasses frönen, Länder, in denen den Menschen nicht beigebracht wird, ihre Nachbarn als Menschen wie du und ich zu betrachten, sondern als Feinde, die jederzeit die „Früchte der Unabhängigkeit“ stehlen könnten.

Aber noch kommt Ruanda die tragische Ehre zuteil, das Land zu sein, in dem binnen kurzer Zeit – nach dem Tod des Präsidenten im April – fast 500.000 Menschen umgebracht wurden und das in der letzten Woche Tausende von Flüchtlingen in zairischen Camps an die Cholera verlor. Die ersten Todesopfer waren Tutsi, letztere Hutu, die vor der RPF flohen. Jetzt war es nicht der Haß, sondern die Angst vor Rache derjenigen, die man aus Haß getötet hatte. Und jetzt wurde die Seuche zum Killer.

Die Anwesenheit französischer Soldaten in Ruanda offenbart das Versagen der Afrikaner, die eigenen Probleme selbst anzugehen. Auch wenn afrikanische Staatschefs gerade dies immer wieder gebetsmühlenhaft einfordern. Natürlich ist all dies ein Schlag ins Gesicht der „Organisation Afrikanischer Einheit“ (OAU). Lange Zeit saß die OAU wie auf der Besucherbank, während sich Afrikaner gegenseitig umbrachten. Immer behauptete man, kein Mandat zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten zu haben.

Man hätte diese Klausel niemals in die OAU-Charta aufnehmen dürfen. Hieß sie doch übersetzt immer nur: „Ich sehe nichts Böses, ich höre nichts Böses, ich rede nichts Böses“. Daß die OAU mehr tun muß, diese Erkenntnis ist letztlich viel zu spät gekommen, 1991, nachdem Afrika all die Idi Amins, Siad Barres und Jean Bokasas über sich hatte ergehen lassen müssen.

Ja, es hat Protest gegeben gegen die Entscheidung der Franzosen, nach Ruanda zu gehen. Weil man das Gefühl hatte, dies wäre ganz deutlich den Vereinten Nationen selbst zu überlassen. Aber das antifranzösische Gefühl reicht tiefer. Waren die Franzosen doch der Habyarimana-Regierung sehr nahegestanden und auch an der Bewaffnung des Landes maßgeblich beteiligt.

Zweitens glaubt man in vielen afrikanischen Hauptstädten, daß die Franzosen ein Langzeitinteresse an Ruanda haben. Sie wollen, wenn das derzeitige Chaos vorüber ist, sowohl ökonomisch wie politisch am Wiederaufbau des Landes beteiligt sein, sie suchen Einfluß, wenn nicht gar Kontrolle.

Und drittens scheinen die Franzosen auch gekommen zu sein, um die RPF daran zu hindern, die Hutu-dominierte Regierung einfach zu überrennen. Sie haben aber immerhin dafür gesorgt, daß sich die Rebellen und die Reste der alten Regierung an einen Tisch setzten und miteinander redeten. Eines spricht für die Franzosen: Sie scheinen die einzigen zu sein, die bereit sind, etwas für Ruanda zu tun. Wer aber erwartet, daß sie dies auch noch umsonst täten? Solange jedenfalls Afrikaner nicht ihre eigenen Probleme lösen können, so lange muß man mit solchen Interventionen rechnen. Kwendo Opanga

Der Autor ist Mitherausgeber der Nations Newspapers in Nairobi und bekannt durch seine politischen Sonntagskolumnen „The week that was“. Aus dem Englischen: AS