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UNO-Debatte stärkt Serben

■ Rückzugsempfehlung Butros Ghalis wird von der "Kontaktgruppe" kritisiert

Genf (taz) – Als „wenig hilfreich“ wird die Empfehlung von UNO-Generalsekretär Butros Ghali zum Rückzug der Unprofor- Truppen aus Ex-Jugoslawien in der internationalen „Kontaktgruppe“ empfunden. Die um ein Bosnien-Abkommen bemühten fünf Staaten (USA, Rußland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland) haben den bosnischen Serben „informell“ zusätzliche Angebote gemacht, um sie doch noch zur Annahme der letzte Woche abgelehnten Teilungskarte für Bosnien zu bewegen.

Heute und morgen wollen die hohen Beamten der Kontaktgruppe in Genf die Abschlußerklärungen und Beschlüssee des bislang für Samstag geplanten Treffens der Außenminister formulieren und dabei möglicherweise auch mit dem bosnischen Serbenführer Karadžić zusammentreffen. Ein hoher Beamter des Moskauer Außenministeriums deutete am Mittwoch allerdings eine eventuelle Absage des Außenministertreffens wegen „anhaltender Differenzen in der Kontaktgruppe“ an. Mit der Sperrung der Hauptlandverbindung nach Sarajevo, der Geiselnahme von UNO-MitarbeiterInnen sowie Verletzungen der UNO-Schutzzonen um die bosnische Haupstadt und um Goražde eskalieren die Serben unterdessen die Auseinandersetzung mit der UNO.

In der Kontaktgruppe wird befürchtet, die Veröffentlichung des Ghali-Briefes zum jetzigen Zeitpunkt könne bei den bosnischen Serben den – ohnehin vorherrschenden – Eindruck der Handlungsunfähigkeit und Zerstrittenheit der internationalen Staatengemeinschaft noch vertiefen und sie in ihrer Ablehnung der Teilungskarte für Bosnien bestärken. Die Botschafter mehrerer (nichtständiger) Mitgliedstaaten im Sicherheitsrat äußerten in der Nacht zum Mittwoch auf Anfrage hingegen Zustimmung zu der ausführlichen Lageanalyse, die der UNO-Generalsekretär seiner Empfehlung zum Abzug der Unprofor-Truppen vorangestellt hatte. „Wenn Butros Ghali seine Lageanalyse allerdings vorgelegt hätte ohne diese Empfehlung, auf die sich jetzt alle einschießen, wäre der Sicherheitsrat unter stärkeren Druck geraten, eine Lösung aus der verfahrenen Situation zu finden“, erklärte ein Botschafter.

Bereits bei ihrem letzten Treffen mit Karadžić am Mittwoch letzter Woche in Genf hat die Kontaktgruppe dem Serbenführer „informell“ einen Vorschlag für die künftige Verfassungsordnung Bosnien-Herzegowinas übergeben. Danach soll das künftige serbische Territorium zwar weiterhin Bestandteil Bosniens in seinen international anerkannten Grenzen bleiben und nicht den Status eines eigenen unabhängigen Staat mit UNO-Sitz und dem Recht auf spätere Annexion mit Serbien erhalten. Doch sollen die bosnischen Serben eine „Konföderation“ mit Serbien bilden können, ähnlich der geplanten Konföderation zwischen der bosniakisch-kroatischen Föderation und Kroatien.

Bei diversen bilateralen Kontakten der letzten Tage zwischen Mitgliedern der Kontaktgruppe und Karadžić sowie dem serbischen Präsidenten Milošević wurde auch über einen Autonomiestatus für das bosnisch-serbische Territorium mit dem Recht auf Außenbeziehungen diskutiert sowie über eine Vertretung in der UNO. Auf jeden Fall hält die Kontaktgruppe eine eigene Repräsentanz der bosnisch-serbischen Region in UNO-Sonderorganisationen für möglich.

Offenbar hat die Kontaktgruppe Karadžić auch signalisiert, daß der den bosnischen Serben zugestandene Ost-West-Korridor bei Brčko durch russische UNO-Soldaten überwacht werden könnte. Es ist offen, ob diese Konzessionen die bosnischen Serben zur Annahme der Teilungskarte bewegen können und ob entsprechende Regelungen die Zustimmung der bosnischen Regierung finden.

Seit der Ablehnung der Teilungskarte am 20. Juli hat die Kontaktgruppe kein neues „Angebot“ der bosnischen Serben erhalten. Zwar haben die Vermittler weder Karadžić noch Vertreter der bosnischen Regierung zu ihren Genfer Beratungen eingeladen. Doch rechnen sie damit, daß der Serbenführer spätestens am Freitag in Genf erscheinen und ein „verbessertes Angebot“ vorlegen wird. Sollte dieses erneut keine bedingungslose Zustimmung zur Teilungskarte erhalten, dürften sich die Differenzen innerhalb der Kontaktgruppe noch verschärfen. Berichte vom Treffen der Vermittler am Montag in Moskau haben den Eindruck bestätigt, daß eine Einigung der fünf Staaten auf effektive Druck-und Sanktionsmaßnahmen gegen die Serben bis zum geplanten Außenministertreffen am Samstag höchst unwahrscheinlich ist. Andreas Zumach

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