Die Cogema-Connection

PreussenElektra plant mit der Betreiberin der Wiederaufbereitungsanlage von La Hague einen Großversuch zum Atommüll-Export  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) – Die Bonner Antwort kam ein bißchen zu schnell. Bundesreaktorminister Klaus Töpfer (CDU) schloß am Dienstag die „unkontrollierte Weitergabe von Plutonium aus aufgearbeiteten deutschen Brennelementen kategorisch“ aus. Auch in Zukunft sei die Bundesrepublik an internationale Verpflichtungen gebunden, wie etwa den Atomwaffensperrvertrag.

Das allerdings hatte niemand bezweifelt. Nur kann der Atommüll auch kontrolliert über die Grenze geschoben werden. Die Umweltorganisation Greenpeace hat interne Überlegungen des AKW-Betreibers PreussenElektra und des französischen WAA-Konzerns Cogema veröffentlicht, wonach wiederaufgearbeitetes Plutonium aus deutschen Atomkraftwerken an „genehme Dritte“ weitergegeben werden könnte, wenn eine vollständige Rückführung und „Verbrennung“ in deutschen Atomkraftwerken von den AKW- Betreibern verworfen wird.

Bei dem Papier handelt es sich um den Entwurf einer Art Änderungskündigung der 1990 zwischen den beiden Unternehmen abgeschlossenen WAA-Verträge. Dabei geht es unter anderem um die Begrenzung der bei der Wiederaufarbeitung in Frankreich anfallenden Plutoniummengen. „Offenbar“ bemühten sich „die Energieversorgungsunternehmen“, die 1990 mit französischen und englischen Partnern abgeschlossenen Verträge „der veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Situation in Deutschland anzupassen“, heißt es in der Erklärung des Umweltministeriums. Auch wahr, nur denkt die PreussenElektra schon weiter. Das kürzlich im Bundestag verabschiedete „Artikelgesetz“ hat zwar die „direkte Endlagerung“ als gleichberechtigter Entsorgungspfad neben der Wiederaufarbeitung anerkannt. Wo aber wird das Endlager stehen?

Der Experte für Atommüll des Öko-Instituts in Darmstadt, Gerhard Schmidt, sieht in dem PreussenElektra/ Cogema-Papier Anzeichen dafür, das ein „Großversuch zum Export von radioaktiven Abfällen nach Frankreich“ geplant wird. Schmidt stützt sich auf die Punkte fünf und acht des Entwurfs. Punkt fünf betrifft abgebrannte Brennelemente, die nach der Vereinbarung zwar nach La Hague angeliefert, dann aber mangels Abnehmer für das zu extrahierende Plutonium nicht wiederaufgearbeitet werden. In diesem Fall wollen „die Parteien ... zum Beispiel eine verlängerte Lagerung des Brennstoffs bis zum Eintreten günstigerer Umstände“ vereinbaren. Wenn diese Umstände nach 15 Jahren oder bis zum 1. Januar 2015 nicht eingetreten sind, „darf der betreffende Kernbrennstoff auf Kosten der PreussenElektra an das Kraftwerk bzw. an einen anderen von PreussenElektra zu bestimmenden Ort zurückgeschickt werden“. Er darf, aber er muß nicht. Im Falle der Realisierung, schimpft Schmidt, bedeute dies die Einführung der „Zwischenlagerung deutscher Brennelmente im Ausland für 15 oder mehr Jahre“. Dies sei angesichts der aktuellen Probleme der Atomwirtschaft beim Transport von Castor-Behältern nach Gorleben eine „interessante Perspektive“.

Auch diesen Ausweg wollte Töpfer bisher mit Vehemenz ausschließen. Davon unbeeindruckt denken PreussenElektra und Cogema jedoch an eine Zwischenlagerung in Frankreich, bis irgendwann und irgendwo ein Endlager zur Verfügung steht. Das ergibt sich daraus, daß Cogema auch „Konditionierungsleistungen für die direkte Endlagerung des zurückzuschickenden Kernbrennstoffs“ anbietet. Unter „Konditionierung“ verstehen die Atomwerker im wesentlichen die Umfüllung des Strahlenmaterials aus den Transportbehältern („Castor“) in die Behälter für die Endlagerung („Pollux“).

Hinter Punkt acht der Vereinbarung verbirgt sich für Schmidt ein weiterer Skandal. Darin verpflichtet sich die Cogema, daß „das Volumen der an den Kunden zurückgeschickten Restprodukte 0,5 Kubikmeter pro Tonne Kernbrennstoff nicht überschreitet.“ Und: Darin sei „die gesamte an PreussenElektra zurückzuliefernde Radioaktivität enthalten“. Im Klartext: Entgegen allen bisherigen Beteuerungen soll nur der hochverdichtete und hochradioaktive Müll nach Deutschland zurückkehren. Der voluminösere, schwach- und mittelaktive Abfall soll dagegen in Frankreich vergraben werden. Würde diese Variante auf die sogenannten „Altverträge“ mit der Cogema ausgedehnt, wäre der deutsche Entsorgungskollaps noch einmal abgewendet: Das eingesparte Zwischenlagervolumen entspräche nach Schmidts Berechnungen etwa fünfmal der Kapazität des Faßlagers in Gorleben und immerhin gut zehn Prozent des geplanten Endlagers „Schacht Konrad“.

Peter-Carl Rühland, der PreussenElektra-Sprecher, bestreitet nicht, daß „es solche Überlegungen gibt“. Wenn die Europäische Union eines Tages Realität sei, könne sich erweisen, „daß es die Bedenken nicht mehr gibt, die wir heute in Deutschland bezüglich internationaler Lösungen haben“.