Die Revanche war eine Frage der Zeit

■ Die Anschläge gegen israelische Institutionen und jüdische Gemeindehäuser in London und Buenos Aires waren, so wird angenommen, jeweils Vergeltungsaktionen nach israelischen Angriffen gegen ...

Die Anschläge gegen israelische Institutionen und jüdische Gemeindehäuser in London und Buenos Aires waren, so wird angenommen, jeweils Vergeltungsaktionen nach israelischen Angriffen gegen Hisbollah. So wurde mit Anschlägen gerechnet.

Die Revanche war eine Frage der Zeit

Auch nachdem sich laut Informationen des britischen Außenministeriums gestern die radikal-islamistische Palästinenserorganisation Hamas zu den Bombenanschlägen in London bekannt hat, bleibt die Frage offen, wer wirklich hinter der Anschlagserie gegen israelische Institutionen und jüdische Gemeindehäuser in Buenos Aires und London steht. Einstweilen muß man sich zumindest auf weitere Angriffe einstellen.

Das setzt indes eine sofortige weltweite Zusammenarbeit der verschiedenen Polizeiorganisationen und Geheimdienste voraus. Denn Israel allein ist nach Auffassung israelischer Geheimdienstspezialisten natürlich nicht in der Lage, alle potentiell gefährdeten israelischen und jüdischen Institutionen im Ausland effektiv zu schützen.

Gleich nach dem Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus in Buenos Aires, bei dem mehr als hundert Menschen getötet wurden, hat die israelische Regierung denn auch Warnsignale in alle Welt geschickt, die wahrscheinlich auch im Zusammenhang mit dem historischen Gipfeltreffen zwischen Rabin und Hussein in Washington schon vor Beginn dieser Woche mit Nachdruck wiederholt wurden. Dafür, daß es dann trotzdem am Dienstag zu einem weiteren Anschlag gegen die israelische Botschaft im vornehmen Londoner Stadtviertel Kensington kam, macht der israelische Militärattaché in England, Brigadegeneral Asriel Nevo, die britischen Sicherheitsorgane verantwortlich.

In einer weiteren Explosion in den frühen Morgenstunden des Mittwochs vor dem jüdischen Gemeindehaus in London-Finchley fand der israelische General dann zusätzliche Indizien für seine Kritik. Er wies darauf hin, daß die Art des Vorgehens der Täter auf gründliche, detaillierte Beobachtungsarbeit und Vorbereitung der Anschläge schließen läßt. Das bedeutet aber auch, daß hier nicht „spontan“ gehandelt wurde, sondern daß der Tat wahrscheinlich sorgfältige Planung vorausgegangen ist. Bei den zwei Anschlägen in London wurden ungefähr 20 Personen verletzt – darunter auch Personal der israelischen Botschaft. Der Angriff gegen das Gemeindehaus in Finchley fand zu einem Zeitpunkt statt, als die verschiedenen Büros geschlossen und menschenleer waren.

Nach dem furchtbaren Bombenattentat in Buenos Aires konnten die Israelis aus nicht lange zurückliegenden Vergeltungsdrohungen der Hisbollah im Libanon sogleich auf Zusammenhänge und die mögliche Herkunft der Täter schließen. Hisbollah wollte damit auf die Entführung des libanesischen Scheichs Mustafa Dirani durch israelisches Militär im Mai sowie den israelischen Luftangriff vom 2. Juni auf ein Ausbildungslager der Hisbollah in Ein Darderah reagieren. Die Drohung mit einem „totalen Krieg gegen Israel“ konnte zwar nicht wörtlich genommen werden, aber man mußte zumindest mit Angriffen auf israelische Objekte im Ausland rechnen.

Die Explosion, die im März 1992 die israelische Botschaft in Buenos Aires zerstörte, blieb ein bis heute ungeklärter Fall. Aber in Israel wird angenommen, daß die Hisbollah damals dahintersteckte – um so mehr, als dem damaligen Anschlag der Mord an Hisbollah- Generalsekretär Abbas Mussawi vorausgegangen war. Das neuerliche Attentat in Buenos Aires am 18. Juli, etwa 40 Tage nach dem israelischen Luftangriff auf das Hisbollah-Lager in Libanon, läßt auch hier auf einen Zusammenhang schließen. Selbst der israelische Ministerpräsident Rabin erklärte kurz nach dem Attentat in Buenos Aires, daß infolge der Entführung des Scheichs Mustafa Dirani aus dem Libanon ein Vergeltungsschlag seitens islamischer Extremisten zu erwarten war. Allerdings konnte man in Israel nur raten, wo, wie und wann eine solche Revanche kommen würde.

Interessant ist, daß gerade eine in England bestehende Organisation, Control Risks Information Service – die Regierungen und große Firmen vor Anschlägen solcher Art warnt –, nach der Entführung von Mustafa Dirani aus dem Libanon Alarm geschlagen haben soll, um auf die Möglichkeit eines größeren Angriffs aufmerksam zu machen. Hingewiesen wurde dabei auf das bekannte „Muster“ von Buenos Aires 1992.

Für Israels Ministerpräsident Rabin steht fest, daß islamistische Terroristen hinter dem Attenat von Buenos Aires stecken. Israelische Geheimdienststellen warnen jetzt vor einer bevorstehenden „Welle des islamischen Terrors“ gegen israelische und jüdische Institutionen außerhalb Israels. Noch in Washington forderte Rabin zum unverzüglichen Generalangriff gegen die weltweite Gefahr des islamischen Terrors auf, der, wie er sagt, zum Teil von „iranischen Elementen unterstützt wird“. Es bestehe eine Infrastruktur für weltweite extremistische Terroraktionen. Die Welt müsse diese „islamische Gefahr zur Kenntnis nehmen und sich von ihr befreien, bevor der Terror noch zunimmt“. Amos Wollin, Tel Aviv