Die Spuren führen in den Iran

■ Zweite Bombe vor jüdischer Einrichtung in London binnen zwölf Stunden explodiert

London/Buenos Aires (AP/AFP/taz) – Innerhalb von nur zwölf Stunden detonierte gestern in London der zweite Sprengsatz vor einer jüdischen Einrichtung. Nachdem am Dienstag vor der israelischen Botschaft eine Autobombe explodiert war, krachte es in den frühen Morgenstunden vor dem Balfour-Haus. In dem Gebäude hatte der damalige britische Außenminister Arthur James Balfour 1917 den Juden eine „nationale Heimstätte“ in Palästina zugesichert. Heute residieren in dem Haus jüdische und israelische Organisationen. Bei beiden Explosionen wurden zwanzig Personen verletzt.

Zunächst wurde die vom Iran unterstützte Hisbollah hinter dem Anschlag vermutet. Entsprechende Hinweise haben sich mittlerweile auch zu dem Anschlag auf das jüdische Kulturzentrum in Buenos Aires vor zehn Tagen verdichtet. Aus dem britischen Außenministerium hieß es jedoch gestern, zu der Bombe vor der Botschaft habe sich die palästinensische Hamas-Bewegung bekannt. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, diese Nachricht stamme aus Israel. Von dort war jedoch keine Bestätigung zu bekommen. Der Hamas-Vertreter in Jordanien, Muhammad Nasal, bestritt, daß seine Organisation etwas mit dem Anschlag zu tun habe.

Vor jüdischen Einrichtungen in der ganzen Welt wurde gestern der Polizeischutz verstärkt. Die Londoner Polizei warnte vor „Selbstmordanschlägen“ islamischer Fundamentalisten. Polizeichef Paul Condon kündigte an, mehr als hundert Gebäude jüdischer und israelischer Einrichtungen würden ab sofort rund um die Uhr bewacht. Vizepolizeichef David Veness meinte, die technische Perfektion der beiden Anschläge deute darauf hin, daß die Täter logistische Hilfe von einem Staat erhalten hätten. Er wollte zwar kein Land nennen, erinnerte jedoch daran, daß Syrien, Iran, Irak und Libyen bereits in ähnliche Anschläge verwickelt gewesen seien. Der Militärattaché der israelischen Botschaft, Oberst Asriel Nevo, hatte der britischen Polizei zuvor vorgeworfen, zu wenig für den Schutz der jüdischen Einrichtungen getan zu haben. Ein zweiter Anschlag sei „vorhersehbar“ gewesen.

Das angebliche Bekenntnis von Hamas kam unerwartet, weil die islamistische Palästinenserorganisation ein Stillhalteabkommen mit der PLO geschlossen hat. Ihre Führer bekundeten, nichts zu tun, was die palästinensische Autonomie in Jericho und im Gaza-Streifen gefährde.

In Buenos Aires kam es gestern wegen des Anschlags auf das jüdische Kulturzentrum zu einem diplomatischen Eklat. Im argentinischen Außenministerium wurde überlegt, die diplomatischen Beziehungen zum Iran abzubrechen. Die Ermittlungen der argentinischen Fahnder führen immer mehr in Richtung Teheran. Gestern hieß es aus Justizkreisen, ein iranischer Soldat, der lange Zeit in Buenos Aires gelebt habe, sei für die Planung des Anschlags verantwortlich. Zuvor waren drei Tatverdächtige verhaftet worden, darunter angeblich eine Angestellte der iranischen Botschaft. Am Dienstag war der iranische Botschafter in Buenos Aires zum zweitenmal binnen 24 Stunden in das Außenministerium einbestellt worden. Die Zahl der Toten ist mittlerweile auf 95 gestiegen. Tagesthema Seite 3