Einst geflohen und jetzt wieder verfolgt

■ 25 Frauen aus zwölf Nationen finden im Flüchtlingshaus in Lichtenberg Schutz

Als Afsane L. sich mit schweren Prellungen, Blutergüssen und einem blau geschlagenen Auge in das stille Haus im hintersten Winkel von Lichtenberg flüchtete, war sie am Ende. „Ich kam aus der Hölle“, sagt sie heute. „Das Haus für Flüchtlingsfrauen war meine Rettung.“

Die 33jährige Iranerin gehört zu den 25 Frauen aus insgesamt zwölf Nationen, die derzeit mit ihren Kindern im Frauenflüchtlingshaus des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Berlin leben. Die jüngste von ihnen ist 14, die älteste 61 Jahre alt. Rund um die Uhr werden sie in der Villa von privaten Sicherheitsdiensten bewacht. Ein hoher Zaun schützt das Gelände vor neugierigen Blicken und unerwünschten Gästen. Es sind häufig die eigenen Ehemänner, Väter und Lebensgefährten, vor denen sich die Frauen aus Afrika, dem Nahen Osten, Asien und Osteuropa verbergen.

„Er schlug mich fast täglich. Wenn ich zu spät vom Deutschkurs kam, wenn eines der Kinder krank war, dann holte er aus. Ich war in seinen Augen an allem schuld“, berichtet Afsane L. Von Tag zu Tag wurde ihre Situation im Flüchtlingswohnheim, in dem sie mit ihrem Mann und ihren Kindern lebte, unerträglicher. „Ich wußte nicht mehr weiter. Dann hörte ich vom Frauenhaus, packte meinen Koffer und die Kinder und rannte einfach los.“

Für Afsane war es die zweite Flucht, nachdem sie ihre Heimat vor drei Jahren verlassen hat. Die Studentin aus Teheran gehörte einer oppositionellen Organisation an. Die iranische Regierung ließ sie zusammen mit ihren Kommilitoninnen verhaften. „Sie haben uns mit Metallpeitschen geschlagen, mit Teppichmessern geschnitten. Sie drohten mit Vergewaltigung und beschimpften uns als Huren“, erinnert sie sich unter Tränen. Um so bitterer für die scheue, zurückhaltende Frau, nach ihrer Flucht in Deutschland mit der Gewalt ihres iranischen Ehemannes konfrontiert zu werden.

Ihr Schicksal ist kein Einzelfall. Doch nicht immer ist der Tyrann der eigene Mann. „Wir haben hier Frauen, die in den gemischten Unterkünften von ihren männlichen Mitbewohnern vergewaltigt und geschlagen wurden“, sagt Roswitha Cablitz, die Leiterin des Hauses.

In den letzten Monaten treffen in der Villa immer wieder junge Mädchen ein, die mit Schlepperorganisationen aus Rumänien und dem ehemaligen Jugoslawien über die Grenze kommen und hier als sogenanntes „Frischfleisch“ für deutsche Freier verkauft werden. Andere Frauen werden in den gemischten Flüchtlingswohnheimen von ihren Landsleuten zur Prostitution gezwungen, sagt Frau Cablitz.

Im Frauenflüchtlingshaus angekommen, beginnt für die meisten von ihnen das Warten auf die Anerkennung ihrer Asylanträge. Aus Angst vor der Abschiebung greifen immer mehr nach dem letzten rettenden Strohhalm: die Heirat mit einem Deutschen, Liebe exklusive.

Amy N., eine junge, dreifache Mutter aus Ghana, spart ihr Geld, das sie sich mit Schwarzarbeit verdient, um sich einen deutschen Ehemann zu „kaufen“. Nach der Scheidung von ihrem Mann, mit dem sie nach Europa geflüchtet war und der sie krankenhausreif schlug, droht ihr jetzt die Ausweisung. „Was soll ich denn sonst tun? In Ghana bringen sie mich um.“ Bis zu 20.000 Mark kostet derzeit eine Heirat, weiß die Heimleiterin Roswitha Cablitz. Die persönlichen Kontakte werden via Zeitung oder durch Freunde und Bekannte hergestellt.

Billigen kann Roswitha Cablitz diesen, wie sie es unverblümt nennt, „Sklavenmarkt“ nicht. „Was wir tun können, ist, die Frauen zu ermutigen, es allein zu versuchen. Doch den meisten fehlt jede Hoffnung, und so sind wir volkommen machtlos.“ Tanja Stindinger (ADN)