Flüchtlinge sollen Haushaltsloch stopfen

■ Zweifelhafter Senatsbeschluß: Mit schnellerer Rückführung von 5.500 Kriegsflüchtlingen sollen 210 Millionen DM gespart werden

Es könnte ein schlechter Witz sein, aber es ist ein Senatsbeschluß: Durch die „beschleunigte Rückführung“ von Kriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien sollen 1995 90 Millionen Mark und im darauffolgenden Jahr 120 Millionen Mark gespart werden. Für 1995 faßt der Senat die schnellere Ausreise von 2.500 Kroaten, Mazedoniern, Kosovo-Albanern und Serben ins Auge. Für 1996 sollen 3.000 beschleunigt die Heimreise in eine ungewisse Zukunft antreten.

Insgesamt sollen im nächsten Jahr 15.000 Flüchtlinge „zurückgeführt“ werden, Bosnier ausgenommen. Bosiljka Schedlich vom Südostzentrum hält es für ein „moralisch schlechtes Zeichen“, „daß eines der reichsten Länder der Welt diese Menschen ins Nichts schickt und sie einem erneuten Schock aussetzt“. Sie befürchtet zudem, daß mit dem Sparbeschluß „eine feindliche Stimmung gegen die Kriegsflüchtlinge geschürt wird. Es wird der Eindruck vermittelt, sie könnten nach Hause zurück, wollten aber nicht. Dabei können sie gar nicht zurück.“ Nach Schätzungen der Senatsverwaltung für Soziales stammen nur ein Fünftel aus Nicht-Kriegsgebieten.

„Es wird sich zeigen, inwieweit die Flüchtlinge freiwillig das Land verlassen und in welchem Umfang Verzögerungen auftreten, beispielsweise wenn Pässe verlängert werden müssen“, äußert sich die Ausländerbeauftragte Barbara John skeptisch. Sie räumt ein, daß die Einhaltung dieses Sparbeschlusses der Senatsklausur vom 10. Juli „mit vielen Unsicherheiten behaftet“ sei.

In vielen Fällen wird die vom Senat gewünschte Beschleunigung schon deshalb nicht möglich sein, weil Flüchtlinge, die schon länger als zwei Jahre in Berlin leben, eine sechsmonatige Frist zur Ausreise haben. Barbara John geht deshalb davon aus, daß es vor allem diejenigen treffen könnte, die noch nicht so lange hier sind.

Auch aus einem anderen Grund könnte sich die Senatsrechnung als Luftbuchung erweisen. „Die meisten, die eine Aufforderung zur Ausreise bekommen, legen Einspruch ein und klagen vor dem Verwaltungsgericht“, sagt Bosiljka Schedlich. „In den letzten drei Wochen waren es allein tausend Anträge“, bestätigt der Pressesprecher des Verwaltungsgerichtes, Thomas Lange. Die Verfahren dauerten ein bis zwei Monate, wenn es schnell geht. In vielen Fällen ziehe sich das Verfahren aber vier bis sechs Monate hin, weil die Ausländerbehörde die Akten nicht zügig vorlege. In den meisten Fällen ziehen die Flüchtlinge bis vors Oberverwaltungsgericht.

Zweifel, ob sich mit der beschleunigten Rückführung tatsächlich sparen läßt, hegt selbst Innensenator Dieter Heckelmann (CDU). „Die sich daraus ergebenden Einsparungen kann SenInn (der Senator für Inneres; d.Red) nicht berechnen“, heißt es im Protokoll der Sparklausur.

„Von uns kommt die Zahl nicht“, stellt Heckelmanns Pressesprecher Norbert Schmidt fest. Auch von wem der Vorschlag kam, kann er nicht mehr nachvollziehen. Er bestätigt jedoch Berechnungen der taz, daß auch rein rechnerisch der gewünschte Spareffekt nicht erzielt werden kann. Legt man die Angaben der Senatsverwaltung für Soziales zugrunde, wonach die Kosten für einen Flüchtling monatlich 1.500 Mark betragen, betrüge die Ersparnis für 2.500 Flüchtlinge aufs Jahr gerechnet 45 Millionen Mark. Vorausgesetzt, daß sie bereits Anfang Januar 1995 ausreisen. Die angepeilten 90 Millionen Mark werden glatt verfehlt.

In der Senatskanzlei „kann und will“ der stellvertretende Senatssprecher Eduard Heußen nicht der Frage nachgehen, wie der Sparvorschlag zustande kam. Wegen der Sparklausur gebe es ohnehin „einige Divergenzen zwischen den Fachsenatoren“. Deshalb habe man sich bei der Senatssitzung am Dienstag dieser Woche darauf verständigt, strittige Punkte bis zur Rückkehr des Regierenden Bürgermeisters Anfang August zusammenzutragen. Bis Ende August sollen diese geklärt werden. Dorothee Winden