taz und "FAZ" per Datenbank

■ On-line-Archive als Vorboten der elektronischen Zeitung / Aktuelle taz-Artikel schon am Vorabend

Der Traum ist fast so alt wie die taz. Kaum war sie geboren, da tauchten in der Redaktion die ersten Computerfreaks auf und schwärmten von den Möglichkeiten der Datenfernübertragung mit 1.200 baud Geschwindigkeit, die bald das ratternde Telex überflüssig machen würde. Und während die taz als erste Zeitung die Laptops der ersten Generation („Da gehen 20.000 Buchstaben drauf!“) einführte, bastelten Zukunftsforscher am Massachussetts Institute for Technology schon an der Idee einer ganzen elektronischen Zeitung.

Wenn Zeitungsartikel schnell und billig über große Strecken elektronisch transportiert werden können – warum soll sich nicht jeder seine ganz individuelle Zeitung zusammenstellen? Mit den real existierenden deutschen Zeitungen Unzufriedene könnten dann den Lokalteil ihres örtlichen Blattes mit dem Wirtschaftsteil der FAZ und den Kommentarspalten der taz kombinieren. Oder sich die Nachrichten bei Dagmar Berghoff reinziehen und sich dazu nur noch den täglichen taz-Kulturteil und die „Wahrheit“ auf den Bildschirm holen.

Noch gibt es ihn nicht, den elektronischen Zeitungskiosk. Die kanadische Zeitung Clarinet (über Newsnet zu beziehen) ist bisher die einzige Ausnahme. Schon im nächsten Jahr wird es aber, wenn alles klappt, die taz schon am Vorabend weltweit über den Rechnerverbund Internet bezogen werden können. Und das billiger als per Luftpost, voraussichtlich für drei bis vier Mark pro Ausgabe.

Heute ist es noch etwas teurer, taz-Leser der technischen Avantgarde zu sein. Wer am späten Abend schon die Artikel von morgen an seinem PC lesen will (oder auch Texte aus älteren Ausgaben sucht), kann das seit drei Monaten über die Datenbank der GBI (Gesellschaft für betriebswirtschaftliche Information in München) tun. Sie wirbt mit ihrem Angebot „Von FAZ bis taz“ und bietet in ihrem elektronischen Pressearchiv dazu noch die Süddeutsche Zeitung und die Neue Zürcher an.

Machen wir die Probe aufs Exempel. Über Btx oder Datex p loggen wir uns in die Datenbank ein (vorausgesetzt, wir haben uns als „user“ ein Paßwort dafür besorgt). Suchen können wir nach Indices und Schlagwörtern. Heute interessiert uns zum Beispiel, welche Artikel die taz bisher zu der von Islamisten bedrohten Schriftstellerin Taslima Nasrin veröffentlicht hat. Das Suchwort „Nasrin“ erbringt 50 Einträge. Fragen wir jetzt noch nach ihr als „Autorin“, dann spuckt der Drucker eine ihrer Kurzgeschichten aus, die die taz am 29.Januar dieses Jahres veröffentlicht hat. Das (langsame, weil ungeübte) Recherchieren hat uns, das zeigt der Bildschirm an, fünf Minuten à 60 Pfenning, das Ausdrucken eines Artikels noch einmal drei Mark gekostet. Sechs Mark, das erscheint dem Hobbynutzer viel, für das Abrufen einer ganzen taz auf diese Weise müßte man schon schlappe 1.000 Märker hinblättern.

Dennoch wird das elektronische Pressearchiv der GBI ausgiebig genutzt, genauso wie seine Konkurrenz, die Holtzbrinck gehörende Datenbank Genios, die neben der Süddeutschen auch Tagesspiegel, Handelsblatt und Süddeutsche anbietet. Am häufigsten sind es natürlich Recherchedienste (wie der des Bundestages oder von Ministerien), Medien, Unternehmensberatungen und andere Firmen, die schnell an Informationen über Ereignisse, potentielle Kunden oder ökonomische Daten kommen möchten. Für Jens Maas von der PR-Agentur ABC Eurocom beispielsweise sind die Pressedatenbanken gar ein „preiswertes Mittel“, um Neues über das öffentliche Image von Kunden zu erfahren – eben von FAZ bis taz.

Während der Spiegel für sein elektronisches Archiv alle alten Jahrgänge erst einmal nach China schaffen ließ, um sie dort zum Billiglohn einscannen zu lassen, wird die taz seit 1988 mit dem sogenannten „Volltext“ archiviert und nach Schlagwörtern ausgewertet. So läßt sich jedes Wort, jede Wortverknüpfung recherchieren, aber auch genauso nach Sachgebieten suchen.

Zur Buchmesse wird die taz noch ein anderes „Abfallprodukt“ ihrer langjährigen Dokumentaristen Sigrid Deitelhoff und Mario Hentschel vorstellen: Dann gibt es den vollen Text der taz, Jahrgang für Jahrgang, nicht mehr in fünf Kilo schweren Büchern im Großformat, sondern als CD-Rom. Michael Rediske

Wer von taz bis „FAZ“ recherchieren will, wendet sich an die GBI, Tel. (089) 9570064, Fax (089) 954229