Sein Erfolg wurde ihm zum Verhängnis

■ Der polnische Kulturminister feuerte den Warschauer Opern-Intendanten

Selbst die Politiker mischten sich in das Innenleben der Warschauer Oper ein. Anfang Juli veröffentlichte die Fraktion der oppositionellen „Freiheitsunion“ im polnischen Parlament eine Erklärung, in der sie Polens Kulturminister Kazimierz Dejmek heftig kritisierte, weil er den bisherigen Intendanten der Warschauer Oper gefeuert hatte. Slawomir Pietras, Direktor des „Teatr Wielki“ (zu deutsch: Großes Theater), gab eine Pressekonferenz, die, wie gehässige Kritiker fanden, zum ersten Mal gut besucht war: Er habe, verkündete er, keinerlei Konflikte mit dem Minister gehabt. Die Gründe für seine Entlassung könne er höchstens erraten.

Nach Ansicht von Warschauer Theaterkritikern ist um das „Große Theater“ schon seit Jahren ein Klüngel von heimlichen Seilschaften, gegenseitiger Protektion und Intrigen entstanden. Doch das große Theater um das „Teatr Wielki“ hat tiefere Ursachen. Es geht um die Frage, ob die Warschauer Oper anspruchsvoll und elitär oder gefällig und dafür weniger defizitär sein soll. Weil die staatlichen Subventionen aus dem Haus von Minister Dejmek nur die Hälfte des Jahresetats decken, erhöhte Slawomir Pietras die Besucherfrequenz, führte Musicals wie „Anatevka“ oder „Zorba“ auf, organisierte die „Offene Oper“, in der während der Vorstellung erklärt und diskutiert wurde. Der finanzielle Erfolg gab ihm recht, Karten wurden unter der Hand gehandelt. Doch gerade dieser Erfolg wurde ihm zum Verhängnis.

Im Kulturministerium hatte man nämlich andere Vorstellungen von Polens Vorzeigebühne. „Klassiker der Opernliteratur wurden abgesetzt“, schrieb die Wochenzeitung Wladomosci Kulturalne, „Direktor Pietras hat nicht nur viele polnische Stars nicht eingesetzt, sondern sogar gefeuert.“ Die Vorwürfe der Zeitung decken sich nicht zufällig mit denen des Ministeriums: Sie wird vom Staat finanziert.

Laut Michal Jagiello, der als stellvertretender Kulturminister die Entlassung Pietras' verkündete, geht es nicht an, daß Polens berühmteste Bühne an zweitklassigen ausländischen Bühnen den griechelnden „Zorba“ präsentierte. Die ministerielle Kulturzeitung suggerierte, die Warschauer Bühne habe zum Beispiel nur deshalb nach Heilbronn fahren müssen, damit der Chef der württembergischen Bühne in Warschau als Opernregisseur debütieren könne. Wladomosci Kulturalne bekrittelte auch Pietras' Schachzug, Startenor Placido Domingo für die nächste Saison zu engagieren. Dafür müsse die Gattin des Spaniers als Regisseurin eingekauft werden.

Eine Lanze für Pietras bricht die Warschauer Tageszeitung Zycie Warszway: „Unter Pietras' Intendanz fanden an der Oper 25 Premieren statt, darunter ,Parsifal‘ ,Salome‘ und Gounods ,Faust‘.“ Für den geschaßten Direktor sind inzwischen oppositionelle Abgeordnete und die Gewerkschaft an der Oper in den Ring gesprungen. Die Warschauer Wochenzeitung Polityka, ansonsten dem Minister keineswegs feindlich gesonnen, kritisierte, daß sich mit der „willkürlichen Entscheidung nunmehr staatliche Kulturpolitik zu einer Geschmackssache eines einzigen Ministers“ zu entwickeln drohe. Man müsse damit rechnen, daß jetzt Bürgermeister die Direktoren ihrer Theater einfach nach Gutdünken feuerten. Schließlich habe der Minister das ja vorgemacht.

Unter der Hand ist der ganze Konflikt um das „Teatr Wielki“ für Warschauer Theaterkritiker eher das Ergebnis persönlicher Intrigen. Einen neuen Kandidaten gebe es nicht, und es sei unwahrscheinlich, daß der Minister ein neues Konzept für die Oper habe. Dafür fehlen nämlich die Mittel. Der jährliche Zuschuß beläuft sich auf rund vier Millionen Mark. Zum Vergleich: Die Wiener Staatsoper wird pro Jahr mit zirka 160 Millionen Mark subventioniert. Klaus Bachmann, Warschau