Die Achillesferse der Agitation

■ Bis in die 60er Jahre gehörten sie zur Amtstracht der Kardinäle: rote Socken. CDU-Generalsekretär Peter Hintze nutzt sie für seinen Kreuzzug gegen die "Linksfront". Doch die antikommunistische ...

Bis in die 60er Jahre gehörten sie zur Amtstracht der Kardinäle: rote Socken. CDU-Generalsekretär Peter Hintze nutzt sie für seinen Kreuzzug gegen die „Linksfront“. Doch die antikommunistische Propaganda wird zur Sympathiewerbung für die PDS.

Die Achillesferse der Agitation

Wenn Rudolf Scharping sich rasieren würde, das Freudengeschrei bei der CDU könnte kaum lauter ausfallen: Völlig aus dem Häuschen sind die Christdemokraten, seit die SPD sich in Magdeburg von der PDS tolerieren läßt. Als „tolle Vorlage“ oder gar als „Elfmeter“ preisen sie die Gelegenheit, endlich polarisieren zu können. Kaum aber war die „Linksfront“-Kampagne mit dem Rote- Socken-Plakat vorgestellt, reagierte nicht der Gegner, sondern das eigene Lager verunsichert. Denn in den neuen Ländern werden Unionsfunktionäre von der Angst umgetrieben, der vermeintliche Freistoß könnte zum Eigentor führen.

CDU-Generalsekretär Peter Hintze fühlt sich trotzdem bestätigt. Kaum hat er sich über den Osten hinweggesetzt, stützen neue Umfrageergebnisse seine Linie. Seit über Magdeburg diskutiert wird, gewann die CDU laut Forsa drei Prozent hinzu. Mit der „Linksfront“-Kampagne, glauben die Strategen, liegen sie goldrichtig.

Entsetzt reagieren die CDU- Leute im Osten vor allem auf das Rote-Socken-Plakat, das Hintze vergangene Woche vorstellte. 100.000 Mal soll es angeblich geklebt werden – im Osten wie im Westen. Aber inzwischen haben sich sämtliche CDU-Landesverbände östlich der Elbe von der Komposition mit Wäscheleine und grüner Klammer distanziert. Daß die eigene Partei eine spalterische Politik betreibt, ist für die Christdemokraten in der Ex-DDR eine Zumutung. Alle drei CDU-Ministerpräsidenten in den FNL kritisierten das Rote-Socken-Plakat.

Als „Grundübel dieser Aktion“ bezeichnet der Fraktionschef der CDU im Tühringer Landtag, Jörg Schwäblein, „daß keine Trennlinien zwischen den Funktionären der PDS und deren Wählern gezogen werden“. Die Wähler der PDS, so fürchten Ost-Christdemokraten, läßt die CDU damit nicht nur im Regen stehen, sie gießt gleich noch einen Kübel Wasser hinterher.

Mit den Einwänden aus dem Osten ging die Bonner CDU- Zentrale um wie Kanzler Kohl mit seinen Kritikern: Sie schob sie beiseite. Da mögen sich etwa in Thüringen sämtliche Kreisvorsitzenden geeinigt haben, daß sie die „roten Socken“ nicht kleben – CDU- Vizesprecher Uwe Mazura verkündet dennoch trotzig: „Kreisverbände aus allen Bundesländern haben das Plakat angefordert.“

Kritik aber kommt nicht nur aus dem Osten, sondern auch von treuen konservativen Verbündeten aus dem Westen. Als „dümmlich“ kanzelte die FAZ das Socken-Plakat ab: Es verharmlose die PDS, werte sie und „Medienclown Gysi“ gar noch auf. Tatsächlich zieht sich die PDS die roten Socken von der CDU gerne über. Sie schickte Dankschreiben und Plakatbestellungen, bot sich gar an, die Poster selbst zu verkleben.

Das finden die Ost-CDUler gar nicht witzig. Der Erfurter Fraktionschef Schwäblein: „Der PDS- Funktionär lacht sich kaputt, aber der Arbeitslose in Suhl, der PDS wählt, fühlt sich verschaukelt.“

Zur Motivation der eigenen Leute mag CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble dem Wahlkampf gar biblische Dimensionen verleihen – in einem Brief an die Abgeordneten der CDU/ CSU nennt er eine rot-grüne Koalition in Bonn nun eine „Heimsuchung“. Im Wahlkampf aber gelten andere Regeln.

Zu aggressiv darf die Kampagne nicht sein, denn es geht darum, die eigenen Leute zu motivieren, ohne die Anhängerschaft des Hauptgegners SPD aufzuscheuchen. Deren Sympathisanten sollen verunsichert werden, ohne das zu merken.

Der Einwand, mit dem Draufschlagen auf die PDS-Wähler werde die abgenutzte Mauer in den Köpfen wieder etwas höher und die PDS aufgewertet, beeindruckt Hintze offensichtlich nicht. Die meisten Stimmen, so seine Rechnung, sind im Westen zu holen. Die Unions-Strategie zielt auf die großen Bundesländer: Die „Linksfront“-Kampagne soll vor allem die konservativ geprägte eigene Wählerschaft in Bayern und Baden-Württemberg mobilisieren; die SPD-Wähler in deren Hochburg Nordrhein-Westfalen aber gilt es zu verunsichern.

Da Generalsekretär Hintze nicht einlenken will, werden einige Ost-Landesverbände statt der „roten Socken“ nun eigene Plakate kleben. So wird etwa Mecklenburg-Vorpommerns Landesvorsitzende Angela Merkel am Dienstag Entwürfe vorstellen, die den Händedruck von SPD und KPD aus dem Jahr 1946 zeigen.

Der Protest in Bonn war auch nicht ganz erfolglos. Die Ost-Politiker nahmen die Versicherung mit, künftig stärker in die Planung von Kampagnen und den Entwurf von Werbemitteln einbezogen zu werden.

Für den Osten ist diese Zusage etwas wert. Denn die „roten Socken“ sind erst der Auftakt. Der zentrale Wahlslogan der CDU steht noch aus. Was die Strategie angeht, geben sich die Mitarbeiter des Adenauer-Hauses zugeknöpft. Über künftige Plakate verrät CDU-Sprecher Mazura nur: „Da werden nicht wieder rote Socken drauf sein.“

Als Erfolg verbuchen darf die Ost-CDU auch, daß der Streit um das Socken-Plakat wieder eine Diskussion darüber in Gang gesetzt hat, wie unterschiedlich die Erwartungen, die Erfahrungen und damit auch die politische Kultur in Ost und West sind.

Daß die Parteifürsten im Westen sensibel mit den Ost-Wählern umgehen, darf allerdings niemand erwarten. Der Generalsekretär der CDU in NRW, Herbert Reul, will persönlich zum Kleisterpinsel greifen und das Socken-Motiv verkleben. Genervt von den Empfindlichkeiten (Ost) pfiff er öffentlich das Bekenntnis zur inneren Einheit. Die Kritiker der Kampagne aus der Ost-CDU, so höhnte er, sollten sich „einmal Gedanken um die Befindlichkeit der 60 Millionen Menschen in den alten Bundesländern machen“. Hans Monath, Bonn