Es fehlen Arbeitsplätze und keine Vermittler

■ Heute tritt das neue Beschäftigungsförderungsgesetz in Kraft / Private Arbeitsvermittler sitzen in den Startlöchern

Vier bis sechs Wochen werden die potentiellen Jobvermittler noch warten müssen, bis sie ihre Lizenzen erteilt bekommen. Das liege daran, so die Pressesprecherin des Landesarbeitsamtes Berlin- Brandenburg, daß die Gesetzestexte der Ergänzung zum Beschäftigungsförderungsgesetz erst verspätet bei den Arbeitsämtern eingegangen seien. Ihrer Auskunft zufolge liegen derzeit rund 180 Anfragen von Interessenten vor, die sich im Bereich der privaten Arbeitsvermittlungen betätigen wollen.

Die Zulassungsvoraussetzungen für eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Arbeit schreiben laut der „Arbeitsvermittlerverordnung“ (AVermV) vom 14.Juli 1994 einen guten Leumund, angemessene Geschäftsräume und eine mindestens dreijährige, anerkannte Berufsausbildung zuzüglich einer dreijährigen Berufstätigkeit vor. Darüber hinaus werden dem Bewerber Auszüge aus dem Schuldnerverzeichnis, dem Gewerbe- und dem Gesellschaftsverzeichnis abverlangt. Sind diese Mindestanforderungen erfüllt, steht der privaten Konkurrenz des Arbeitsamtes nichts mehr im Wege.

Der Gesetzentwurf sieht vor, daß die im Entstehen begriffene Vermittlerbranche pro Jahr ein bis zwei Monatslöhne vom künftigen Arbeitgeber des Vermittelten kassieren darf. Schon deshalb will die Pressesprecherin des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg, Melanie Nassauer, in den privaten Vermittlern keine ernsthafte Konkurrenz sehen. Denn beim Arbeitsamt ist und bleibt die Vermittlung umsonst. Darüber hinaus würden die auf Gewinn bedachten Privaten ihrer Meinung nach eher dort tätig, wo wettbewerbsfähige, hochqualifizierte Arbeitssuchende, die noch in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, ihre Arbeitsplätze wechseln wollen. Die weniger lukrativen Bereiche, wie die Vermittlung von Arbeitslosen, würden indes die ureigene Domäne des Arbeitsamtes bleiben. „Der sozialpolitische Auftrag des Arbeitsamtes bleibt erhalten“, erklärte die Pressesprecherin und verweist auf die für den Herbst geplante Vermittlungsoffensive des Arbeitsamtes. Ab September werden Bedienstete der Arbeitsämter Betriebe aufsuchen und aktiv nach freien Arbeitsplätzen fahnden.

Der Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Berlin- Brandenburg, Bernd Rissmann, bewertet die vierte Änderung des Beschäftigungsförderungsgesetzes weitaus kritischer. Mit einem Mehr an Arbeitsvermittlung könne man die Arbeitslosigkeit nicht bekämpfen. Wenn auf 1.000 offene Stellen 10.000 Arbeitslose kämen, nutze der Ausbau vermittlerischer Strukturen nichts: „Es fehlen Arbeitsplätze, nicht Vermittler!“ Der DGB fordere die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung von minderqualifizierten Langzeitarbeitslosen. Alles andere, so Rissmann weiter, sei „reine Augenwischerei“. Darüber hinaus kritisierte er die laxen Zulassungsvoraussetzungen für die Genehmigung privater Arbeitsvermittler. Diese könnten auch nur die Jobs vermitteln, die existieren. Es bestehe die Gefahr, daß solche Privatvermittler Erwerbslose zu tarifwidrigen Bedingungen unterbrächten und möglicherweise bei Tarifkonflikten Streikbrecher stellten. Rissmann sieht darin eine Einladung zur Geschäftemacherei mit der Arbeitslosigkeit: „Hier wird dem Sklavenhandel Tür und Tor geöffnet!“ Peter Lerch