„Wo ein V-Mann anstiftet, ist er Straftäter“

■ Bayerns Innenminister Günther Beckstein zur Arbeit des Verfassungsschutzes, V-Männern in der rechtsextremen Szene und den Möglichkeiten der verdeckten Ermittlung

taz: Innerhalb der Sicherheitsbehörden gehen die Meinungen auseinander: Die einen sagen, es sei relativ einfach, sich mittels V- Männern Zugang zur rechtsextremen Szene zu schaffen, andere sagen, es sei fast unmöglich.

Günther Beckstein: Die Abschottungsmechanismen sind im organisierten rechtsextremen Bereich generell geringer als im linksextremen. Von daher ist es leichter, an Kontakte heranzukommen. Angesichts der Zersplitterung und der Individualisierung der Neonazi- und Skin-Szene ist es aber sehr schwierig einen totalen Überblick zu bekommen. Es gibt mittlerweile eine organisatorische Verwandtschaft zum Bereich der Autonomen.

Der V-Mann Schmitt in Solingen ist ja kein Einzelfall. Wie kann man ausschließen, daß V-Männer mehr tun, als nur zu beobachten und Berichte abzuliefern?

Ein V-Mann darf kein Agent provocateur sein. Wo er anstiftet, ist er selbst Straftäter. Er darf keinerlei aktive Rolle übernehmen. Das muß durch eine enge Dienstaufsicht sichergestellt werden. Ich gehe davon aus, daß dies bei uns erfolgt. In Bayern haben wir entsprechende organisatorische Vorsichtsmaßnahmen getroffen.

Sie und die Bayerische Staatsregierung fordern längst, verdeckten Ermittlern ein „milieugerechtes Verhalten“ zu gestatten. Wie weit dürfte dieses Verhalten im Bereich des Rechtsextremismus gehen?

Verdeckte Ermittler sind keine V-Männer, sondern letztendlich Polizeibeamte. Wir wollen einem Polizeibeamten einen Rechtfertigungsgrund für bestimmte sonst strafbare Tatbestände schaffen, die Dritte nicht schädigen. Das bewegt sich beispielsweise bei der Beteiligung am illegalen Glücksspiel oder Mitwirkung an Hehlerei im eher ordnungsrechtlichen Bereich. Wo die Rechte Dritter geschädigt sind, sind solche Rechtfertigungsgründe aber nur in allerengstem Umfang überhaupt noch möglich.

Wo wäre bei verdeckten Ermittlern in der rechtsextremen Szene die Grenze? Wäre Volksverhetzung noch in Ordnung?

Das kann man nicht generell sagen, das ist eine Frage der konkreten Rechtfertigung.

Hat man in Bayern die rechte Szene im Griff?

Im Bereich der Neonazi- und Skin-Szene ist es sehr schwer, überhaupt ein zuverlässiges Lagebild zu bekommen. Aber dort, wo die Organisationen eine gewisse Größe erreicht haben, wo es eine Struktur gibt, sind wir doch ganz ordentlich an der Szene dran. Interview: Bernd Siegler