Charme-Offensive gegen das Embargo

Der Irak bereitet sich auf das Ende der internationalen Sanktionen vor  ■ Von Thomas Dreger

Berlin (taz) – Iraks Ölminister Safa Hadi Jawad Habubi versprühte Optimismus. Wenn Anfang nächsten Jahres das gegen sein Land verhängte Embargo aufgehoben würde, könnte der Irak umgehend zwei Millionen Barrel Öl (159 Liter) täglich exportieren, sagte er Ende letzter Woche der New York Times. Bereits 14 Monate später würden Ingenieure die derzeit stillgelegten Ölförderungsanlagen so weit hergerichtet haben, daß der Irak seine frühere Opec-Quote von täglich 3,6 Millionen Barrel wieder erfüllen könnte. Innerhalb von sechs bis acht Jahren werde der derzeit international geächtete Staat dann seine Exportkapazitäten auf sechs Millionen Barrel pro Tag erweitern.

Habubis Hoffnungen auf eine baldige Rückkehr des Iraks in den Kreis der Erdölexporteure sind berechtigt. Vier Jahre nach dem irakischen Überfall auf Kuwait deuten viele Zeichen wieder auf Normalisierung. Zwar verlängerte der UN-Sicherheitsrat am 18. Juli die nach der Invasion verhängten Sanktionen um ein halbes Jahr. Doch geschah dies nur unter starkem Druck der USA und deutlichen Unmutsbekundungen aus Rußland, China, Frankreich und der Türkei. Einen Tag nach der Verlängerung hieß es aus Moskau, der Sicherheitsrat solle auf die Fortschritte der irakischen Führung bei der Abrüstung „reagieren“. Zwar solle der „Stand der Zusammenarbeit“ eine gewisse Zeit überprüft werden, doch dann müsse über die Aufhebung des Ölembargos gesprochen werden.

Geschäftsleute sitzen in den Startlöchern für das Nachkriegsgeschäft mit der irakischen Führung. Unlängst schlossen Vertreter der französischen Konzerne Total und Elf Aquitaine Abkommen über die Erschließung zweier großer Ölfelder im Süden Iraks. Arbeitsbeginn: sofort nach Ende des Embargos. Habubi hofft, daß ausländische Investoren insgesamt 30 bis 40 Milliarden US-Dollar lockermachen werden, um neue Ölreservoirs anzubohren. Das nächste Mal wird der Sicherheitsrat im Januar über das Embargo entscheiden.

Die irakische Führung nutzt jede Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, daß sie die Bedingungen für eine Beendigung des Embargos erfüllt habe. Vor der letzten Verlängerung der Sanktionen reiste Iraks stellvertretender Ministerpräsident Tariq Asis persönlich zu einer „Charme-Offensive“ zum UN-Hauptquartier in New York. Dort gelang es dem weißhaarigen Vorzeigediplomaten der irakischen Führung zwar nicht, die Verlängerung zu verhindern, jedoch traf Asis nach eigenen Worten auf „eine signifikante Anzahl von Mitgliedern des Sicherheitsrates“, die Irak „große Fortschritte bei der Umsetzung der UN-Resolutionen einräumten“. Tatsächlich beugt sich die Führung in Bagdad weitestgehend den UN-Forderungen nach Kontrolle der irakischen Militärmaschinerie. Die irakischen Massenvernichtungsmittel sind nach Ansicht von UN-Inspekteuren zerstört. Im vergangenen November konnten UNler damit beginnen, in irakischen Militäreinrichtungen Überwachungskameras anzuschrauben.

In Kuwait betrachtet man die Tendenz zur Rehabilitierung des nördlichen Nachbarn mit Sorge. Am Sonntag forderte der dortige Ministerrat die internationale Staatengemeinschaft auf, den Druck auf den Iran aufrechtzuerhalten. Jüngst hatte der Berichterstatter des Auswärtigen Ausschusses im kuwaitischen Parlament, Nasser al-Sanaa, beunruhigt vermeldet: „Die Möglichkeit einer Lockerung der Sanktionen gegen Irak besteht.“ Trotz des reduzierten irakischen Militärapparats hat man in dem kleinen Emirat Angst vor einem erneuten Überfall. Die Furcht wird durch die konsequente Nichtanerkennung Kuwaits durch die irakische Führung verstärkt. Die Kuwaiter fordern von Saddam Hussein die Akzeptierung der nach dem Krieg von der UNO zu Ungunsten Iraks nach Norden verschobenen Grenze zwischen beiden Staaten. Nach offizieller irakischer Lesart ist jedoch die Anerkennung der Grenze keine Bedingung für eine Aufhebung des Embargos. Statt dessen wird das Emirat in Bagdads staatlichen Medien ungeniert als Teil Iraks bezeichnet.

Ein Ende des Embargos fordert nicht nur die irakische Regierung, sondern auch unisono die zersplitterte Opposition des Landes. Hilfsorganisationen schätzen, daß die Kindersterblichkeit im Irak seit Ende des Golfkrieges um das Fünffache gestiegen ist, nicht einmal die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln ist gewährleistet. Freilich vermag niemand zu sagen, wieviel Leiden der irakischen Bevölkerung tatsächlich dem Embargo geschuldet ist und welche Hilfsgüter die irakische Führung für eigene Zwecke abzweigt.