Schwere Vorwürfe und Ungereimtheiten

■ Jugendliche Flüchtlinge in Treptower Heim waren schlicht fehlinformiert über ihre Rechte / Persönliche Querelen zwischen Heimleiter und entlassenem Erzieher

Der ausländerpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Ismail Kosan, hat die schweren Vorwürfe gegenüber der Erstaufnahmestelle für jugendliche Flüchtlinge in der Treptower Hoffmannstraße gestern bekräftigt. Nach Darstellung eines inzwischen entlassenen Erziehers sollen die Jugendlichen vom Heimleiter geschlagen und mit Taschengeldentzug diszipliniert worden sein. Der Heimleiter wurde in der vergangenen Woche vom Dienst suspendiert, eine Mitarbeiterin, die mit Jugendlichen geschlafen haben soll, wurde beurlaubt.

Auf einer gestern von Kosan abgehaltenen Pressekonferenz, bei der drei junge Flüchtlinge ihre Erfahrungen im Heim schilderten, wurden aber auch einige Ungereimtheiten deutlich. Mohammed Amir Hossain aus Bangladesch, der angab, 15 Jahre und 11 Monate alt zu sein, beklagte, daß er „aus dem Heim geworfen“ wurde, nachdem eine ärztliche Untersuchung ergeben hatte, daß er nicht 15, sondern 20 Jahre alt sei. Zudem lag seine Immatrikulation an einer Berliner Hochschule vor, wie Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) gegenüber der taz bestätigte. Insofern sei es auch völlig korrekt, daß er nicht weiter in der Hoffmannstraße bleiben konnte, die ausschließlich für Minderjährige eingerichtet ist. Hossain hätte sich bei der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (ZAA) melden müssen, um dort einen anderen Heimplatz zugewiesen zu bekommen. Statt dessen sei er für einen Monat bei einem Kommilitonen untergekommen und habe sich erst dann bei der ZAA gemeldet. Als haltlos bezeichnete Krüger auch Hossains Vorwurf, wonach Ministerialdirigent Manfred Mallé ihm 350 Mark Unterbringungskosten für besagten Monat vorenthalte. Wenn er nicht in der vorgesehenen Einrichtung übernachte, bestehe auch kein Anspruch auf das Geld, so Krüger. Dieser Fall zeigt, daß der junge Flüchtling über seine Rechte gänzlich fehlinformiert wurde. Der 15jährige Rumäne Laurentio Viorel Lupancu schilderte willkürliche Bestrafungsmaßnahmen durch die Heimleitung. Nachdem er sich mit türkischen Jugendlichen wegen eines Videos gestritten habe, sei er für zwei Tage aus dem Heim ausgeschlossen worden. „Das war nicht gerechtfertigt.“ Er sei nicht einmal angehört worden. „Bestraft wurde nur ich, nicht die andere Seite.“ Eine Nacht habe er in einer anderen Notübernachtungsstelle für Jugendliche verbracht, dann habe er sich ins Heim zurückgeschlichen.

Der Anfang Juli entlassene Erzieher Roman Nowak warf dem Heimleiter Norbert Schmid unter anderem vor, Jugendliche vorsätzlich geschlagen zu haben. Unabhängig voneinander bestätigten Jugendsenator Krüger und Eberhard Vorbrodt vom Flüchtlingsrat, daß es zwischen Nowak und Schmidt persönliche Querelen gegeben habe, die bei den Vorwürfen möglicherweise eine Rolle spielten. Vorbrodt betonte jedoch, daß insgesamt vier Personen Anzeige gegen die Heimleitung gestellt hätten. Jugendsenator Krüger erwartet in zwei Wochen einen Bericht des Trägers. „Falls sich die Vorwürfe bestätigen, daß Jugendliche geprügelt wurden, muß dies Konsequenzen haben“, so Krüger. Die Forderung von Bündnis 90/Die Grünen nach einem Trägerwechsel wies er zurück. „Am Träger selbst habe ich keine Zweifel.“ Dorothee Winden