Thoma contra Bertelsmann

■ Ausgerechnet der RTL-Chef protestiert gegen die Pay-TV-Firma Mediaservice GmbH

RTL – war das nicht der Sender, der zum guten Teil Bertelsmann gehört? Für jeden guten SPD-Medienpolitiker das Gegengewicht zum konservativen Kirch-Sender Sat.1? Doch es scheint, daß der Wettlauf um den Zukunftsmarkt Pay-TV die sorgsam gepflegten Oligopole noch einmal heftig durcheinanderwirbelt. Da tun sich ausgerechnet die großen Gegenspieler Bertelsmann und Kirch zusammen, um die technische Abwicklung des Pay-TV gemeinsam zu organisieren, vom Decoder bis zum Einzug der Abonnementsgebühren. Zusammen mit der Telekom, die über das nötige Kabelnetz exklusiv verfügt, haben sie dafür die Firma Media Service GmbH gegründet.

Und ausgerechnet der „Bertelsmann-Sender“ RTL erhebt den lautesten Protest. Nicht nur per Fax und Bild in alle Öffentlichkeit, nein, ganz formell bei der „Generaldirektion Wettbewerb“ der EU. Sie soll dem Unternehmen die Fusionsgenehmigung versagen, weil gerade die Kirch-Gruppe damit ihre starke Stellung als Filmverleiher und TV-Veranstalter weiter zementieren könnte.

Des Rätsels Lösung: die Konkurrenz unter den RTL-Gesellschaftern. Der größte Eigentümer, die luxemburgische CLT, hat nämlich ebenfalls in Brüssel interveniert. Die Gründerin der europaweiten RTL-Kette fürchtet, gegenüber dem Verbund Bertelsmann-Kirch-Telekom ins Hintertreffen zu geraten, wenn sie selber einmal in Deutschland am Pay-TV verdienen möchte. Zumal Bertelsmann auch gerade noch einen Vertrag mit dem französischen Canal+ unterschrieben hat, dem größten Pay-TV-Unternehmen des Kontinents. Gemeinsam will man, mit 700 Millionen Mark in drei Jahren, europaweit neue Pay-Sender entwickeln.

Schon beim Poker um die „Rettung“ von Vox wurde vor einem Monat offenbar, daß sich die Wege von Bertelsmann und der Luxemburger CLT trennen: Da bootete Bertelsmann seinen RTL-Partner aus und versprach statt dessen dem Medienmogul Murdoch knapp die Hälfte der Vox-Anteile. Die CLT konterte und beantragte prompt die Lizenz für ein weiteres Programm („RTL-Club“).

Auf die Interessen der Luxemburger wird die EU-Kommission wohl Rücksicht nehmen müssen. Beim Pay-TV, so ist in ihrem Hause zu hören, würden vermutlich bald europaweite Anbieter auftreten, die in Deutschland durch die Media Service GmbH behindert werden könnten.

Die Fusionsabteilung der Europäischen Kommission hat denn auch die Mediaservice GmbH zunächst nicht genehmigt, sondern erst einmal ein Verfahren eröffnet. Dieser Tage wurden von Brüssel die ersten Fragebogen verschickt. Fernsehanstalten, Betreiber von Kommunikationsnetzen und alle, die sonst noch im Umfeld des Pay- TV-Marktes vermutet werden, sollen Zahlen und Informationen liefern. Bis Mitte November soll dann die Entscheidung fallen, ob die Media Service GmbH gegen europäische Wettbewerbsregeln verstößt.

Trotz aller Beteuerungen der Media Service GmbH, sie werde ihre Dienste und ihr Kabelnetz auch allen anderen Konkurrenten zu gleichen Bedingungen zur Verfügung stellen, haben die Brüsseler Wettbewerbsaufseher da ihre Zweifel. Daß die Europäische Kommission die Fusion untersagen wird, ist trotzdem unwahrscheinlich. Seit Einführung der Europäischen Wettbewerbskontrolle vor knapp vier Jahren wurde von Brüssel nur ein einziger Firmenzusammenschluß untersagt. Unter den vielen genehmigten Fusionen waren etliche, die vor dem strengeren deutschen Kartellamt kaum Bestand gehabt hätten, aber in Brüssel aufgrund politischer Erwägungen zugelassen wurden. Denn die meisten der 17 Kommissare sind der Meinung, daß künftig nur große EG-Unternehmen im weltweiten Konkurrenzkampf bestehen können.

Einen Antrag der deutschen Kartellwächter, den Fall Media Service GmbH an sie zu verweisen, weil es sich im wesentlichen um den deutschen Markt handele, lehnten die Brüsseler bereits ab. Gebührenfernsehen sei ein internationaler Zukunftsmarkt, heißt es aus der Kommission. Vermutlich wird daher die Kommission Auflagen machen, um anderen Pay-TV- Betreibern den Marktzugang zu sichern. „Wir prüfen alle denkbaren Möglichkeiten“, meint ein Kommissionsmitarbeiter diplomatisch, „aber wir betreten hier Neuland.“ Auch solches kann fruchtbar sein. Alois Berger/Michael Rediske