■ Roman Herzogs Auftritt in Warschau
: Jenseits der Bitte um Vergebung

„Ich hätte nicht mehr in den Spiegel schauen können, wenn ich dazu nein gesagt hätte“, sagte der Bundespräsident Roman Herzog am Montag in Warschau zu seiner Entscheidung, an den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Warschauer Aufstands teilzunehmen. An der Stelle in der Warschauer Altstadt, wo SS- Truppen Hunderte von Zivilisten erschossen haben, sprach er von „Abscheu“ für die Täter und „Wut“ darüber, „daß die Verbrechen im deutschen Namen begangen worden sind“. Daß er großen Beifall geerntet hat, lag nicht zuletzt an seiner untheatralischen Haltung, an seiner Sprache, die direkter, menschlicher ist als die seines großen Vorgängers Richard von Weizsäcker, ohne den angemessenen Ernst einzubüßen.

Für meine Generation, für die zwanzig Jahre nach dem Krieg Geborenen, war diese aufrichtige Haltung vielleicht sogar wichtiger als die unumgängliche Bitte um Vergebung, auf die unsere Eltern und Großeltern fünfzig Jahre lang gewartet haben. Für sie war der Krieg ein nachhaltiges Trauma, für uns – ein Spiel auf dem Schulhof, wo die mutigen Soldaten der Heimatarmee mit jedem Schuß aus einer Plastikpistole gleich drei Deutsche erledigt haben. Hinzu kam das vom Unterricht und von den Medien geprägte Bild vom „guten DDR-Bürger“ (den wir im stillen verachtet haben) und dem „bösen Deutschen aus der BRD“ (der uns mit seinen bunten Produkten im Grunde beeindruckt hat). Vier Jahre nach der deutschen Einheit braucht unsere Vorstellung von dem großen Nachbar im Westen immer noch wesentliche Korrekturen. Das benötigt eine geistige Anstrengung von beiden Seiten.

Was uns, Polen, im Kontakt mit anderen wirtschaftlich und politisch starken Völkern fehlt, ist Selbstbewußtsein. Wir wollen ernst genommen werden – sonst verharren wir auch in einer Pose der Xenophobie, die in Unsicherheit und Minderwertigkeitskomplexen wurzelt. Anstatt eine Show der deutschen Selbstbezichtigung zu veranstalten, hat der Bundespräsident überzeugend von einer gemeinsamen Zukunft im vereinigten Europa gesprochen. Jetzt sind wir dran, beiderseits der Grenze.

Denn es gibt viel zu tun: die deutsche Vorstellung von der „polnischen Wirtschaft“ muß ebenso abgebaut werden wie das polnische Klischee vom „groben Deutschen“. Die Verständigung ist nicht nur eine politische und ökonomische Notwendigkeit, es ist eine spannende Herausforderung. Wer sich ihr in seinem Alltag stellt – zum Beispiel da, wo sich Polen und Deutsche gegenseitig beschimpfen –, wird morgen in den Spiegel schauen können. Weronika Kostyrko

Korrespondentin der Gazeta Wyborcza