„Kein Viertel ist nur schwach“

■ Altona-Nord: Sozialer Brennpunkt mit Selbstheilungskräften

Ein bißchen Gründerzeit, einige Hochäuser; wenige Geschäfte, aber ein Musicaltheater; viele Autos und stark befahrene Straßen, aber kaum Kindertagesheimplätze – der Stadtteil Altona-Nord hat kein sehr einprägsames Gesicht. Zerschnitten von der Kieler-, Holsten- und Alsenstraße hat das Viertel selbst für die Bewohner kaum eine wahrnehmbare Identität. Fast 14.000 Menschen wohnen in dem, wie Bezirksamtsleiter Peter Strenge gestern einräumte, „etwas vergessenen Viertel“. Und damit aus dem vernachlässigten kein Problemstadtteil wird, ließ sich das Bezirksamt nun ein Handlungs- und Maßnahmenkonzept für den „sozialen Brennpunkt“ erstellen.

Eine halbes Jahr brauchte die Stadterneuerungsgesellschaft (Steg), um auf 200 Seiten die Probleme und Handlungsmöglichkeiten in und für Altona-Nord zusammenzufassen. Für Geschäftsführer Peter Jorzick stand nach dieser Untersuchung fest, daß es „kein Gebiet gibt, das nur schwach ist“.

Und dies trotz der Vielzahl der Probleme: Das Fehlen von Ju–gend-, Alten- und Kinderbetreuungseinrichtungen, steigende Arbeitslosigkeit und fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten, die wachsende Zahl vernachlässigter Kinder in der Arnkielschule (70 Prozent Migrantenkinder aus 20 Nationen) und Verkehrsprobleme jeglicher Art. Dennoch, so Jorzick, hätten die Steg-Mitarbeiter bei ihrer Untersuchung viele Anknüpfungspunkte für eine aktive Stadtteilarbeit entdeckt.

Zum Beispiel die Mieterinitia-tive in der Eckernförder Straße: Drogendealerei, Vandalismus und bauliche Mängel in ihren Wohnblocks hatten 1993 zur Gründung der Initiative geführt. Was die Anwohner noch mehr ärgert: Die Gymnasiasten der benachbarten Schulen, die mit ihren Autos die Straßen verstopfen und die Gehwege zuparken. Gemeinsam mit der Initiative erarbeitete die Steg einen Vorschlag zur Wohnumfeldverbesserung der Eckernförder Straße: Sie reichen von einer streckenweisen Einbahnstraßenregelung über Parkschutzbügel für Bürgersteige bis hin zu neuen Radwegen.

Dieses Verfahren der Anwoh–nerbeteiligung wünschen sich die Steg-Mitarbeiter auch für die anderen Problembereiche. „Wir wollen nur Katalysator für die Veränderungen sein“, so Jorzick, „wo nötig, Träger gründen und Koordinationsarbeit leisten.“ Beraten will die Steg auch bei der Einrichtung eines Stadtteilcafés in der Gefionstraße. Dort wurde im Frühsommer ein Bürgertreff und eine Altentagesstätte eröffnet, jetzt diskutieren die Anwohner über Angebot und Träger des Cafés. Hier böte sich nach Ansicht von Steg-Mitarbeiter Ludger Schmitz auch die Gelegenheit, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Bezirksamtsleiter Strenge zeigte sich denn gestern bei der Übergabe des Konzepts ob der zahlreichen Handlungsperspektiven begeistert. Für den angestrebten „dynamischen Prozeß“ hat die Stadt bis 1997 jährlich zehn Millionen Mark bereitgestellt. Die müssen acht „soziale Brennpunkte“ unter sich aufteilen. Sannah Koch