Aufräumen an den Ostberliner Hochschulen

■ Studentenzahlen sind gestiegen / Wissenschaftssenator: „Umgestaltung hat Spaß gemacht, ist aber noch nicht beendet“ / Humboldt-Uni soll „Flaggschiff“ werden

In Ostberlin hat sich zu DDR- Zeiten etwa die Hälfte der wissenschaftlichen Einrichtungen konzentriert. Deren „ideologisch belasteten“ Teile sollten nach der Wende abgewickelt und neu aufgebaut und deren Beschäftigte so weit als möglich in der Wissenschaft gehalten werden. Der Ostteil mußte an das Rechtssystem des Westens angepaßt, die 18.000 Studenten bis zum Examen weiter unterrichtet und der Nachholbedarf an Büchern und technischer Ausstattung befriedigt werden. Nirgendwo sonst prallte der Ost- West-Gegensatz so direkt aufeinander wie in Berlin.

„Es hat Spaß gemacht“, sagt Berlins Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) trotzdem, „die Umgestaltung ist gelungen, aber noch nicht beendet.“ Die Gesamtzahl der Studenten stieg von 126.000 im Jahre 1989 auf 150.000 in 1993 (im Osten von 18.000 auf 27.000). Im gleichen Zeitraum hat sich das wissenschaftliche Personal der alten Ostberliner Hochschulen mehr als halbiert, die personelle Überbesetzung der DDR-Wissenschaft im Vergleich zum Westen war geradezu sprichwörtlich.

Die größte und einzig echte Neugründung des Landes ist die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) im Osten Berlins, die aus DDR-Ingenieursschulen zusammengelegt wurde. Sie hat zur Zeit 5.000 Studenten, 9.000 sollen es werden. Ersatzlos gestrichen wurde die Hochschule für Ökonomie mit ihrer Marxismus-Leninismus-Ausrichtung. Andere DDR- Einrichtungen wie die drei Hochschulen für Musik, Schauspiel und Kunst wurden in neues Recht überführt. Unter Schmerzen und Protest abgewickelt und durch gemischte West-Ost-Kommissionen neu aufgebaut sind inzwischen an der Humboldt-Uni zu Berlin (HU) Bereiche wie die Rechts-, Wirtschafts- und Erziehungswissenschaften, Philosophie und Geschichte. Die Universität Unter den Linden soll das neue Flaggschiff des Berliner Hochschulstandortes werden, ebenso – auf medizinischem Gebiet – die Charité, die immer noch über einen guten Namen verfügt.

Bei den Berufungen gab es nicht, wie befürchtet, einen Ost- Kahlschlag, sondern wie geplant eine Mischung aus Ost und West. An der Humboldt-Uni sitzen auf den neu ausgeschriebenen Lehrstühlen 182 Professoren aus den alten und 151 aus den neuen Bundesländern. Die Charité, die Medizinische Fakultät der HUB, hat in Ausstattung und Forschung Anschluß an den Westen gefunden. Die Hälfte ihrer Studenten kommt aus dem Westen, an der FHTW sind es etwa ein Drittel. „Unterschiede zwischen West- und Oststudenten sind nicht mehr zu erkennen“, sagen Dozenten. Fast einzigartig im Bundesgebiet sind Berliner Studiengänge für Wirtschaftsinformatik und -kommunikation, für Museumskunde und Restaurierung.

Auch an den Westberliner Hochschulen konnte die Wende nicht spurlos vorübergehen. Aus Spargründen sollen sie, auch angesichts des Studienplatzausbaus im Ostteil und in Brandenburg, bis zum Jahr 2003 gut 15.000 ihrer 115.000 Studienplätze streichen. Sie schleppen sich von einer Etatkürzung zur nächsten und signalisieren immer das gleiche: Das Ende der Fahnenstange ist erreicht. Senator Erhardt ist jetzt dafür, lieber ganze Bereiche zusammenzulegen, als „mit dem Rasenmäher“ die Hochschulen des Landes auf Mittelmaß zu stutzen. Gerald Mackenthun (dpa)