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Schnittiger Eigenbau

■ Zwei junge Berliner Designer verkaufen Schnittmusterbögen, mit denen sich Kunden ihre Möbel selbst schreinern können

Eigentlich ist es ganz einfach: ein wenig Holz, die passende Säge, eine Handvoll Dübel, Schrauben und Muttern. Dann heißt es messen, sägen, bohren... Doch was aussichtsreich begann, endet oftmals im Desaster: Der Tisch wackelt, das Regal ist schief, der Stuhl kippt. Heimwerken ist voller Tücken. Anders mit der „Blaupause“.

Die jungen Berliner Designer Hermann Weizenegger und Oliver Vogt hatten die zündende Idee: Was bisher nur für Röcke und Hosen galt, gibt's jetzt auch für Hocker und Tische. Vogt und Weizenegger entwarfen Schnittmuster für Möbel, Designerstücke zum Nachbauen. Mit der „Blaupause“, einem Bauplan in Form einer 1:1-Schablone, kann jeder die Möbelkollektion „Home-Office- Tools“ nachbauen.

Statt mit Kopierrad und Nähnadel, rückt der Blaupausenbauer seinem Schnitt mit Säge und Bohrmaschine zu Leibe. Einfach den Schnitt auf das Holz legen, durchpausen, aussägen, zusammensetzten – und fertig. Eine detaillierte Einkaufsliste zum Ausschneiden wird gleich mitgeliefert. Wer's nicht packt, kann seinen Schnittbogen beim Schreiner um die Ecke nach Wunsch anfertigen lassen.

Zu dem Schnittbogen für etwa 40 Mark gibt es eine kleine Plakette mit Lizenznummer zum Schutz des Copyrights. Zwar kann man praktisch beliebig oft das jeweilige Möbelstück nach ein und demselben Schnittmusterbogen bauen. Doch streng genommen erwirbt man mit dem Kauf eines Schnittbogens nur das Recht, einmal das entsprechende Möbelstück anzufertigen. Durch die schwer fälschbaren Lizenzplaketten mit fortlaufender Numerierung wollen sich Vogt und Weizenegger vor allem gegen den professionellen Nachbau ihrer Möbel schützen.

Die Idee, Schnittmuster für Möbel zu entwickeln, entstand durch Zufall. Die Möbelkollektion „Home-Office-Tools“, von den beiden Industriedesignern für eine Firma entwickelt, wurde vom Auftraggeber abgelehnt: Die Entwürfe seien zu einfach, die könne doch jeder nachbauen. „So kamen wir auf die Idee“, sagt Oliver Vogt, „es einfach noch weiter zu treiben: Designermöbel, die gar nicht vor dem Kopieren geschützt werden sollen, sondern möglichst leicht nachzubauen sind.“ Vogt und Weizenegger wollen die Leute animieren, selbst zu basteln und zu werkeln.

Also liefern sie nur die Schnittbögen, nicht etwa die Möbel als Bausatz. Dahin die Zeiten, in denen der Designer selbst zu Hammer und Nagel griff. Die Möbel selbst herzustellen, hätte auch gar nicht in das Konzept der Designer gepaßt. Vogt und Weizenegger wollen den Benutzer bewußt miteinbeziehen. „Die Leute sollen nicht nur ihre handwerklichen Fähigkeiten wiederentdecken, sondern auch ihre Phantasie spielen lassen.“ In welchen Materialien und Farben die Schnittbogen-Möbel anfertigt werden, bleibt schließlich dem Bastler überlasssen. „Uns ist die Kommunikation mit dem Benutzer sehr wichtig, denn man muß Design ganzheitlich sehen“, sagt Vogt, „schließlich geht es bei Industriedesign nicht um Exklusivität, sondern um Gebrauchsgegenstände.“

Plakette als Schutz gegen Massennachbau

Deshalb steht bei den Möbeln der beiden Designer die Funktionalität im Vordergrund. Aber es ist ein lächelnder, ironischer Funktionalismus ohne den Ernst der Siebziger, bei dem die Prämisse der Funktionalität auf Kosten von Wärme und Witz ging. Die „Home-Office-Tool“-Kollektion ist Funktionsdesign, doch mit einem ganz eigenen Charakter. Sie künpft an die schlichten, klaren Formen des Bauhauses an. Vogt und Weizenegger wollen ihren Möbeln Persönlichkeit geben. Entsprechend verspielt sind die Namen der „Blaupause – Familie“ von der Bank „Sheep“ über das drehbare Regal „Karoussell“ bis zum kleinen Hocker, ironisch „Starlet“ getauft.

Mit ihren Möbeln zum Nachbauen wollen Vogt und Weizenegger auch herausfinden, ob sie als Designer eine neue, freie Produktion in Gang setzen können. Ihre Möbel sollen nicht nur von Heimwerkern, sondern auch von kleinen Betrieben nachgebaut werden, die sie anschließend weiterverkaufen. Nur mit Lizenzplakette, versteht sich. Seit der ersten Präsentation der Schnittmustermöbel im Herbst vergangenen Jahres gibt es schon zahlreiche Anfragen von kleineren Firmen in der Schweiz, Frankreich und Deutschland, sogar aus den USA. Praktisch sind die Möbel aus dem Schnittbogen allemal. Nicht nur zum Nachbauen. Schlicht und leicht auseinandernehmbar, sind sie geradezu ein Muß für Umzugsfetischisten. Die zwölf Stücke der Kollektion, von der Hausbar bis zum Paravent, finden bequem in einem VW-Bulli Platz. Anja Dilk

Blaupause-Design, Bestseller Connection, Weverstraße 73, 13595 Berlin, Telefon 361 09 20.

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