„Der Markt gibt eine Menge her“

■ Morgen enden in St. Petersburg die 3. Spiele des Guten Willens / Fortsetzung folgt 1998 in New York / Ein Gespräch mit Jack Kelly, dem Präsidenten der Goodwill Games Inc.

taz: Mister Kelly, sind die Goodwill Games nur eine Privat- Olympiade ihres Chefs Ted Turner?

Jack Kelly: Vielleicht hat es diesen Eindruck gemacht. Aber die Goodwill Games sind mehr. Sie sind ein weltumspannendes Sportereignis. Das akzeptieren inzwischen alle, ohne die Unterstützung der Athleten, der Medien und Sportverbände hätten wir dieses Niveau schließlich nicht erreicht.

Für Sie waren die Goodwill Games also wieder ein Erfolg?

Wir haben Weltrekorde gesehen, großen Sport insgesamt. Wir waren zu Gast in einer wundervollen Stadt. Alles verlief friedlich. Es war eine tolle Zeit.

Schwimmen und Eiskunstlaufen wurden wegen eklatanter technischer Mängel verschoben.

Wir hatten ein paar ärgerliche Probleme, das stimmt schon. Aber wir haben Lösungen gefunden.

Das Problem der Zuschauer haben Sie nicht gelöst. Für die Goodwill Games hat sich kaum jemand interessiert.

Ich finde, Sie übertreiben. Zur Halbzeit hatten wir mehr als 200.000 Zuschauer. Wir erwarten insgesamt etwa 500.000 Zuschauer, bei 700.000 angebotenen Plätzen ist das ganz gut.

Das Leichtathletik-Stadion blieb zu mindestens zwei Dritteln leer.

Sie hätten zum Wasserball, zum Taekwondo, zum Beachvolleyball oder Basketball gehen sollen. Da waren die Ränge voll. Das Leichtathletik-Stadion war vielleicht etwas zu groß. Da sah es nach weniger Zuschauern aus, als es tatsächlich waren.

Und damit es nach mehr aussah, haben Sie die Kameramänner angewiesen, keine leeren Ränge mehr zu fotografieren?

Es sah so leer aus, weil sie nur immer die leeren Seiten gezeigt haben. Wir haben ihnen vorgeschlagen, auch mal jubelnde Zuschauer zu zeigen.

Eine kleine Fälschung?

Nein, überhaupt nicht. Hätten wir nur volle Ränge gezeigt, wäre es Desinformation. Aber auch, wenn wir nur die leeren Plätze gezeigt hätten. So haben wir absolut saubere Informationen geliefert.

Hat es die Amerikaner interessiert? Wie waren die Einschaltquoten?

Wir lagen ein klein bißchen unter dem Erwarteten.

Wieviel darunter?

Etwa 30 Prozent.

Die Zuschauer sind übersättigt mit sportlichen Top-Events. Und Sie boten diesmal sogar weniger Stars als 1986 in Moskau oder 1990 in Seattle.

Nein, wir hatten mehr und bessere Athleten. In Seattle wurden wir kritisiert, daß die besten Briten gefehlt haben. Diesmal waren Colin Jackson, Tony Jarrett und John Regis dabei. Und auch Linford Christie wäre gelaufen. Leider hat er sich kurz vorher verletzt. Wir müssen uns nicht entschuldigen, die Besetzung war sehr gut.

Weshalb sind Stars wie Lewis, Joyner, Bubka oder Drechsler nach St. Petersburg gekommen?

Die meisten wollten eine neue, fremde Stadt kennenlernen, sie wollten einen heißen Wettkampf und ihnen gefiel die Idee der Goodwill Games. Die Athleten wollen, daß die Spiele eine Zukunft haben.

Die meisten sind doch wohl gekommen, weil sie gut bezahlt wurden. So gut wie sonst nirgends. Haben Sie wirklich 20 Millionen Dollar Startgagen gezahlt?

Die Zahl ist viel zu hoch. Die Kosten für alle Athleten, also etwa 2.000, einschließlich Startgage, Transport, Unterbringung, ist viel geringer als 20 Millionen.

Carl Lewis hat also auch keine 200.000 Dollar für zwei Rennen bekommen?

Absolut zu hoch.

Wieviel hat Turner investiert?

60 Millionen Dollar. Die Russen haben zwischen 75 und 100 Millionen investiert.

Haben die Goodwill Games eine Zukunft?

Ich glaube, es ist genug Platz für solch einen Wettbewerb, nicht nur alle vier, sondern sogar alle zwei Jahre. Wir wollen die Olympischen Spiele nicht kopieren. Wir haben uns mit IOC-Mitgliedern unterhalten und auch mit den internationalen Sportföderationen. Die Unterstützung ist groß.

Alle zwei Jahre Goodwill Games? Viele Sportler beklagen schon jetzt einen überfüllten Terminkalender.

Ich glaube nicht, daß es zu viele Wettbewerbe gibt. Die Goodwill Games geben den Sportlern doch eine Chance mehr, in Form zu bleiben und Geld zu verdienen.

Was haben die Goodwill Games bisher geleistet?

Wir sind nicht so bescheuert zu sagen, die Goodwill Games hätten den Kalten Krieg beendet. Aber sie haben dazu beigetragen. Russen und Amerikaner haben sich durch die Goodwill Games besser kennengelernt.

Aber finanziell waren die Spiele immer ein Flop. 26 Millionen Dollar Defizit in Moskau, gar 44 Millionen in Seattle. Wieviel schießt ihr Boß denn diesmal zu?

Warten Sie doch einfach auf die Abschlußbilanz.

Sind Sie wirklich fest entschlossen, 1998 die vierten Goodwill Games auszurichten?

Die Verträge mit der Stadt New York sind schon unterschrieben. 1998 in New York, das könnte ein Hit werden. Der Markt gibt eine Menge her, wenigstens das können sie mir glauben. Interview: Jens Weinreich