Ein Himmel voller Lügen

■ Wie sich die birmesische Zensur durch allzu großen Übereifer selbst überlistet

Aufgrund der Unlogik der birmesischen Zensurgesetze enthüllen regierungsamtliche und von der Regierung finanzierte Medien des Landes, wie z. B. Myeq-khin- thit, Dinge, die SLORG der Bevölkerung ansonsten vorenthält. Dort nämlich darf über Themen berichtet werden, die anderswo strikt tabu sind; allerdings werden sie hier von beißenden Dementi begleitet. Immerhin ermöglicht die Regierung durch diese Verhöhnung ihrer Gegner die Verbreitung von Nachrichten, die ansonsten nirgends zu haben sind.

Dabei muß SLORG natürlich davon ausgehen, daß die Bevölkerung bereits sehr viel mehr darüber weiß, was in der Welt vor sich geht, als die landeseigenen Medien ihnen mitteilen: nämlich durch die landessprachlichen Sendungen von BBC, Voice of America (VOA), All India Radio (AIR) und seit einiger Zeit auch Satelliten-Fernsehen. Anstatt jedoch diese Sender zu ignorieren, hielt SLORG es für nötig, ihre Programme durch dezidierte Zurückweisung, Umformulierung ihrer Nachrichten mit anti-westlicher und/oder pro-asiatischer Tendenz und Verunglimpfung der Oppositionspartei, der National League for Democracy (NLD) zu bekriegen. Eine der Waffen im Propagandakrieg waren Pressekonferenzen – die später in englischer und birmanischer Sprache als Bücher publiziert wurden – auf denen SLORG meist nachzuweisen versuchte, daß sich die Demokratie-Aktivisten gleichzeitig im Sold der CIA und der birmesischen Kommunistischen Partei (BCP) befänden. Die „Beweise“, die man dabei vorlegte, waren Fotografien frisch angespitzter Bleistifte, Perücken und Frauenkleider, die man angeblich in Klöstern dissidentischer Mönche gefunden hatte.

Diese Bücher-zur-Konferenz erschienen unter so faszinierenden Titeln wie „Die Verschwörung abgefeimter Verräter in der Myanmar Naing-ngan“ oder „Kohorten des Verrats im Ausland und das Netz der Verschwörung“: Komplizierte Geschichten von Ablenkungsmanövern und Intrigen von BCP UG, DAB und einigen NLD- Führern zur Ergreifung der Macht; diese Machwerke lieferten einigen Bürgern des Landes die ersten und einzigen Nachrichten von Verwandten, die in politischen Exilgruppen aktiv sind (BCP UG meint im Untergrund befindliche Mitglieder der Kommunistischen Partei Birmas und DAB heißt Demokratische Allianz von Birma, der Name einer Dachorganisation zumeist ethnisch organisierter, kleinerer Oppositionsgruppen).

Eine andere Buchreihe, die inzwischen gewiß ein wertvolles Sammlerstück geworden ist, hieß „Ein Himmel voller Lügen“. Darin waren ganze Sendungen von BBC, VOA und AIR textgetreu nachgedruckt, die zunächst in Zeitungen erschienen waren, damit SLORG sie dementieren konnte und danach noch einmal in Buchform. Schon die erste Version hatte den Birmesen ironischerweise erlaubt, auf den Seiten ihrer offiziellen Zeitungen die BBC-Sendung vom vorigen Abend nachzulesen.

Immerhin – einiges hat sich verändert. Mit dem birmesischen Neujahr 1993 ist aus der eher billig gemachten Arbeiterzeitung ein computerproduziertes Qualitätsblatt namens Das neue Licht von Myanmar geworden. Zusätzlich gibt gibt es einige weitere Tageszeitungen, den Spiegel, die City-Nachrichten aus Rangoon und Yadanabon aus Mandalay. Statt permanenter Propagandasprüche gibt es jetzt mehr Sport-, Kultur- und Wirtschaftsseiten, oft nachgedruckt aus der Straits Times von Singapore.

Myeq-khin-thit (Neue Weiden), eine Propaganda-Zeitschrift, die 1990 gegründet wurde, hat regelmäßige Seiten mit nationalistisch- antikolonialen Artikeln, eine „Fragen“-Sektion, die vor allem dazu da ist, Demokratieaktivisten zu verleumden, Kurzgeschichten mit einer Pro-Regierungs-Message sowie regelmäßige Reportagen über die Gräßlichkeit der westlichen Welt und ihrer Menschenrechtsheuchelei – und vor allem viel über die wunderbaren Aktionen der Regierung. Gedichte und Cartoons werden nicht selten aus anderen Zeitschriften abgekupfert, ohne Erlaubnis und ohne Bezahlung, versteht sich.

Obwohl Myeq-khin-thit für die meisten birmesischen Intellektuellen unter jeder Kritik ist, hat sie doch den Vorteil, daß sie nicht zensiert wird. In ihr werden oft klarere Worte gesagt und kontroversere Artikel gedruckt als in den meisten anderen Zeitschriften. Stil und Aufwand entsprechen denen westlicher Produkte, und solange die Regierung mit den anderen Zeitschriften derart rigide umspringt, wird sich die Leserschaft wahrscheinlich gerne durch den Dreck aus Propaganda und Verleumdung kämpfen, um am Ende ein paar Nachrichten zu finden, die woanders nicht erscheinen können. A. J. Allott