■ Bonn apart
: Körperpolitik

Argumente? Wer glaubt denn ernsthaft, daß mit Programmaussagen im „Superwahljahr“ ein Blumentopf zu gewinnen ist? Als erste hatte das die CDU kapiert und ging den Gegner körperlich an: „Politik ohne Bart“ hieß das Plakat, das den Oppositionsführer als undurchsichtig denunzieren sollte. Ein voller Erfolg, obwohl nur zwei Plakate vor dem Konrad- Adenauer-Haus gehängt wurden: Die Medien sorgten für republikweite Verbreitung.

Ein schärferes Werbemittel schob die Junge Union nach: den „Scharp'-Shaver“. 50.000 Einwegrasierer wurden auf Postkarten geklebt und sollen überall verteilt werden, wo Scharping auftritt. Gehalten wird der blaue Plastikrasierer von einem Heftpflaster mit der Aufschrift: „Da haben Sie sich geschnitten, Herr Scharping.“ Ob das Werbemittel auch den Ökotest besteht?

Die Sozialdemokraten vernachlässigen derweil wieder einmal den Gegner und kümmern sich nur um ihre eigenen Körper. Sie konzentrieren sich auf Regionen unterhalb der Gürtellinie. Offensichtlich gehen SPD-Werber davon aus, daß den Genossen auch in intimsten Situationen nichts wichtiger ist als politische Korrektheit. So bietet das Ollenhauer- Haus seinen Ortsvereinen farbige Kondome als Wahlkampfgags an. Nach dem Abrollen geben die Gummis die Aufschrift frei: „Steh auf! Gegen rechts!“ Was will uns das sagen? Konservative und Liberale mögen sich im Bett ihren Gefühlen hingeben, Sozis vögeln für den Frieden? Die Kontrazeptiva gibt es nicht umsonst: Fünf Stück kosten vier Mark.

Wenn körperliche Eigenheiten als Angriffsziel taugen, lassen sie sich auch als Träger positiver Botschaft nutzen. Diese Einsicht überfiel die SPD-Werber, die daraufhin Rudolf Scharping für ein Großflächenplakat aufs Rennrad setzten.

Das regierungsnahe Magazin Focus mußte den SPD-Chef gleich wieder miesmachen und verbreitete unter dem Deckmantel der Medizinberichterstattung urologische Erkenntnisse über „Sensibilitätseinbußen“ und schlimmere Störungen, die Nutzer harter Sättel angeblich erleiden („Radfahren: nichts für harte Männer“). Sollte das endlich die Erklärung sein, warum der SPD-Chef manchmal Stimmungen nicht wahrnimmt? Prompt hat die SPD das Radlerplakat abgehängt. Das neue Motiv zeigt Rudolf Scharping einfach nur beim Zuhören. Wirkt sehr sensibel, der harte Mann. Hans Monath