Aufrechte Hanseaten

■ Stralsund: Bürger-Ini will kein rosa-rot-grünes Stadtoberhaupt

Das hätte sich CDU-Vizechefin Angela Merkel nicht träumen lassen. Ausgerechnet ihrer Heimatstadt Stralsund droht Unheil: eine „Linksfront“. Daß man den Anfängen wehren muß, glaubten auch rund 100 Stralsunder, die sich am Donnerstag abend auf Einladung der Kreishandwerkerschaft zur ersten öffentlichen Versammlung der Initiativgruppe „Ein Stralsunder für Stralsund“ trafen. Ihr Ziel: Wiederwahl des CDU-Bürgermeisters Harald Lastovka.

Der hohe, mit Stuck abgesetzte Saal in der historischen Getreidebörse bot einen würdigen Rahmen für diese Zusammenkunft Stralsunder Handwerker und anderer Bürger. Geschichte wurde von den Anwesenden häufig bemüht. Der Schlossermeister Erwin Schneider etwa erinnerte an den November 1989, als man nicht weit von hier Montags vor der Nicolai-Kirche gestanden habe. Auch von „Wahlbetrug“ war die Rede, den man nie wieder zulassen dürfe.

Dabei ist in der Hansestadt an der Ostsee gar nicht viel passiert. Eine Mehrheit von SPD, PDS und Grünen in der Stralsunder Bürgerschaft hatte Anfang Juli lediglich beschlossen, was die Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommerns im Regelfall vorschreibt: die bundesweite Ausschreibung der Stelle des Oberbürgermeisters. Für die Wiederwahl des bisherigen Amtsinhabers gab es keine Mehrheit. SPD und CDU sind seit einiger Zeit zerstritten. Offizielle Gespräche zwischen SPD und PDS gab es bislang nicht. Allein die Tatsache, daß der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Kurt Pagels, öffentlich nicht ausschloß, einen geeigneten Kandidaten auch mit Stimmen der PDS zu wählen, rief die Kreishandwerkerschaft auf den Plan.

Um „Verhältnisse wie in Sachsen-Anhalt“ zu verhindern, beschloß der Vorstand der Kreishandwerkerschaft, die Bürger der Stadt zu mobilisieren. „Das ist Wahlbetrug“, schrieben sie in ihrem Aufruf, den über 1.000 Hansestädter bereits unterzeichnet haben, „der Wille der Wähler wird nicht anerkannt.“ Zwar erzielte die CDU bei den Kommunalwahlen 37,4 Prozent, doch das reicht nicht für ihren Kandidaten. Was jedoch die Stralsunderin und Bundesfrauenministerin Angela Merkel (CDU) nicht daran hinderte, den vermeintlichen Betrug am Wähler zu geißeln: „Daß ein gemeinsames Abstimmungsverhalten von SPD und PDS die Regel wird, hätte man den Stralsundern vor der Wahl sagen müssen.“

Aber nicht nur das rosa-rot- grüne Bündnis empört die Handwerksmeister, sondern auch die Vorstellung, nach der bundesweiten Ausschreibung könnte ein Nicht-Stralsunder oder sogar ein Westdeutscher die Geschicke der Stadt lenken. „Nur ein Stralsunder kennt die Probleme der Stadt“ und kann somit „Stralsund lenken und leiten“. Doch dabei denken die Handwerker wohl mehr an ihre Brieftasche. Seit die Stralsunder Handwerker bei der Vergabe kommunaler Aufträge besser berücksichtigt werden, sind sie voll des Lobes für Harald Lastovka.

„Es ist an der Zeit, wieder aktiv zu werden und wachsam zu sein“, appelliert der Elektromeister Peter Paul an die Anwesenden. „Die Investoren werden sich zurückziehen, die Arbeitsplätze sind in Gefahr“, beschwor Erwin Schneider. Auf Nachfrage fällt ihm kein Investor ein, der Stralsund verlassen will, doch schaudernd fügt er hinzu: „Die PDS will doch das System abschaffen.“ Schließlich macht der Schlossermeister den Seinen noch den Bundeskanzler, und endlich braust Beifall auf: „Es geht aufwärts in Stralsund! Der Aufschwung ist da!“

Doch mit Parteipolitik wollen die Initiatoren nichts zu tun haben, auch wenn sich ihre Initiative bestens in die aktuelle CDU-Kampagne einordnet. Schließlich einigt man sich, ohne lange diskutiert zu haben, ein historisches Möbelstück zu entstauben: den runden Tisch. An den will man nun SPD und CDU bestellen und an deren „Verantwortung für Stralsund“ appellieren. Christoph Seils, Stralsund