Debatte um Newton-Fotos

■ betr.: „Grace Jones in Ketten“, taz vom 27.7.94, LeserInnenbriefe, taz vom 1.8.94

Angesichts der haßerfüllten schriftlichen Reaktionen auf Sonja Schocks Artikel „Grace Jones in Ketten“ muß ich kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, daß die Feststellung der Autorin, viele sähen rot, wo Sex und Macht sich paarten, voll und ganz zutrifft. Obwohl Frau Schock gegenseitiges Einverständnis als unabdingliche Basis von S/M-Inszenierungen bezeichnet, obwohl sie auf die Äußerungen bekennender Sadomasochistinnen verweisen kann, die eindeutig belegen, daß es Frauen gibt, die Spaß an Unterwerfungsspielen haben, wird sie in den Briefen als Handlangerin frauenverachtender Sadisten, als „Alibifrau“ und gar als „Schreibtischtäterin“ diffamiert, wird ihr Plädoyer für Toleranz gegenüber einer Minderheit überhaupt nicht beachtet.

Ebenso ignorieren die verbalen Amokläufer/innen die fundierte Kritik der Autorin am Schlagwortcharakter der nur notdürftig als populärwissenschaftlicher Aufsatz getarnten Schmähschrift Alice Schwarzers gegen Helmut Newton. Statt dessen ergehen sie sich in Unterstellungen, Verdrehungen und haarsträubenden Sado/Maso- „Fascho“-Analogien.

Völlig haltlos ist die Behauptung Sabine Holms, Newtons Fotos würden in der taz zu „Blümchen-Sex-Illustrationen stilisiert“. Frau Schock macht vielmehr darauf aufmerksam, daß Newton bisweilen das typische S/M-Rollenklischee nicht nur entschärft, sondern mittels Ironie sogar in Frage stellt. Im Falle des „trader and slave“- Bildes erreicht er dies, indem er den „Sklavenhändler“ als Witzfigur erscheinen läßt. Die Autorin sagt eben nicht, ein Strick sei kein Strick und was wir auf den Fotos sähen, sähen wir gar nicht, sondern sie empfiehlt im Gegenteil, genau hinzuschauen, die Details wahrzunehmen und erst dann zu urteilen.

Sonja Schock ist für diesen mutigen, intelligenten und sprachlich pointierten Beitrag – den besten, den es in der Schwarzer-Newton- Debatte bislang gegeben hat – zu danken. Josef Söthe, Bielefeld