Scharping zum Jagen tragen

■ Die SPD weiß weiterhin nicht, ob sie für Tempolimits sein soll oder nicht / Fraktionsgeschäftsführer findet Nutzen fragwürdig / Wurde das Tempolimit gegen Scharpings Willen beschlossen?

Hamburg/Bonn (AP/dpa/taz) – In der SPD sind Zweifel am eigenen Plan für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen laut geworden. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, behauptete am Samstag, der ökologische Nutzen sei fragwürdig. „Die derzeitige Ozonbelastung würden wir damit nicht wirksam abbauen“.

Damit ignoriert Struck die Erfahrungen in Hessen. Der dritte Ozonalarm mit Geschwindigkeitsbegrenzungen wurde dort am Samstag abend nach nur eintägiger Dauer wieder aufgehoben, weil die Ozonbelastung wieder unter den Grenzwert gefallen war. Als zweites Bundesland nach Hessen ist am Samstag im SPD-regierten Schleswig-Holstein eine Sommersmog- Verordnung in Kraft getreten.

Dessenungeachtet plädierte Struck dafür, man solle lieber mit 1.000 Mark den Kauf von Autos mit geringem Treibstoffverbrauch fördern. Ein Tempolimit sei dann überflüssig. Damit weiß Struck sich mit der Konkurrenz von der Union einig. Auch der sächsische Umweltminister Arnold Vaatz meinte, daß mehr Geld für Autokäufer ein Schritt in die richtige Richtung sei, wenn damit Autos mit einem Verbrauch von weniger als fünf Litern pro 100 Kilometer angeschafft würden.

Eine SPD-Sprecherin wies unterdessen Berichte des Spiegel als „schwachsinnig“ zurück, wonach der am vergangenen Mittwoch gefaßte Tempolimit-Beschluß der SPD gegen den Willen von Parteichef Rudolf Scharping zustande gekommen sei. Nach Darstellung des Nachrichtenmagazins legte Scharping beim Treffen mit den Umweltministern der SPD-regierten Länder ein Papier vor mit dem schönen Titel „Konsequentes Handeln ist überfällig“. Der Text habe jedoch keinerlei Aussagen zum Tempolimit gemacht. Die anwesenden SPD-Politiker hätten die Vorlage einmütig als zu schwach abgelehnt. Unter Führung des nordrhein-westfälischen Umweltministers Klaus Matthiesen sei der später von Scharping etwas lustlos vorgetragene Tempolimit-Beschluß gefällt worden. Im Falle eines Wahlsiegs will die SPD Tempo 130 auf Autobahnen und Tempo 30 in Wohngebieten als Richtwert beschließen.

Die Umweltorganisation Robin Wood will darauf nicht warten und geht in Bremen gerichtlich gegen den Autoverkehr vor. Am Freitag stellten die Umweltschützer beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag auf Maßnahmen zur Reduzierung des Kfz-Verkehrs. Juristische Grundlage sei die Straßenverkehrsordnung, die der zuständigen Aufsichtsbehörde einschränkende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen ermögliche.