Friedensidyll am Waldesrand: Das Cap-Anamur-„Friedensdorf“

■ Internationale Jugendarbeit mit Rechtsradikalen

Storkow (taz) – „Seit einem Jahr arbeite ich hier, aber im November stehe ich wahrscheinlich wieder auf der Straße.“ Lukas läßt deprimiert die Schultern hängen. Sein Freund Andi nickt zustimmend, auch er hat noch keine Lehrstelle. Die beiden Freunde schenken am Samstag Bier aus auf dem vierten Richtfest des Friedensdorfes Storkow. Andi und Lukas gehören zu 13 deutschen Jugendlichen, die zusammen mit ausländischen Jugendlichen ein vom internationalen Komitee Cap Anamur initiiertes Jugendprojekt aufbauen. Sie kommen aus der rechtsradikalen Szene und sollen durch das Zusammenarbeiten mit Ausländern resozialisiert werden. Dazu gehört auch die Übernahme in Ausbildungsverhältnisse nach dem Berufsvorbereitungsjahr im Storkower Projekt. Bei Andi und Lukas hat die Resozialisierung anscheinend funktioniert: „Mit unseren Freunden von früher haben wir fast nichts mehr zu tun“, erzählt der 17jährige Lukas. „Denen paßt das nicht, daß wir hier mitarbeiten“, fügt sein vier Jahre älterer Freund hinzu. Einige von den mitarbeitenden Jugendlichen haben inzwischen Angst vor Racheakten der Rechtsradikalen.

In den letzten zwei Jahren häuften sich in den umliegenden Städten Königs-Wusterhausen, Beeskow und Fürstenwalde die Anschläge organisierter Rechtsradikaler. Deshalb wurde das Cap- Anamur-Projekt „Friedensdorf“ nach Storkow geholt. „Hier gab es noch keinen organisierten Rechtsradikalismus, da mußten wir dringend handeln“, berichtet Frauke Postel, die den „Verein Friedensdorf“ aufbaute.

Seit zwei Wochen liegen die Arbeiten im „Friedensdorf“ nun in internationaler Hand. Zu den deutschen stießen über den Internationalen Jugendgemeinschaftsdienst 13 ausländische Jugendliche, um im Dorf unentgeltlich zu arbeiten. Der 20jährige Maurice aus dem holländischen Limburg ist ganz begeistert. Er versteht sich gut mit den Deutschen: „Ich habe nicht gemerkt, daß hier Rechtsradikale mitarbeiten.“

„Anfang 1996“ soll, so die Leiterin des „Vereins Friedensdorf“, Gabriele Baum, das Projekt stehen. 15 Holz-Reihenhäuser sollen dann zu 60 Prozent deutsche und zu 40 Prozent ausländische Familien beherbergen. Das große Jugendwohnheim, so Frauke Postel, soll schon im Herbst von den mitarbeitenden deutschen Jugendlichen bezogen werden.

Doch zur Zeit gerät der Bau ins Stocken. Es mangelt an Materialspenden und Fachkräften wie Elektrikern oder Dachdeckern, die die Jugendlichen anleiten. Schirmherr Manfred Stolpe, der das Richtfest mit seinem Besuch ehrte, versprach denn auch, sich um Abhilfe zu bemühen. Wenigstens, so ein Storkower, hätte sich die Bevölkerung jetzt mit dem Projekt arrangiert. Selbst der Hotelbesitzer vor Ort hat sich mit den ungewöhnlichen Nachbarn abgefunden. Grund dafür mögen auch die vielen Touristen sein, die immer wieder zum „Sightseeing“ in das kleine Dorf am Rande der Stadt anreisen. Frauke Postel ist von den Besuchern begeistert: „Die finden unsere Arbeit so gut, daß viele von ihnen gleich etwas spenden wollen.“ Elke Eckert

Interessierte können sich wenden an den „Förderverein Friedensdorf“ in 15859 Storkow, Fritz-Reuter-Straße 15, Tel: 033678-71120.