Sanssouci: Vorschlag
■ Fantasy Filmfest *5*
Wo wir gerade noch beim Thema Teenage-Rampage-Splitter- Splatter-Romance sind: Die Enkel fechten's nicht unbedingt besser aus. „Love and a 45“ ist einer der vielen Sprößlinge von „Bonny & Clyde“, die neuerdings dazu benutzt werden, reinen Tisch mit der sogenannten Jugendkultur der sechziger/siebziger Jahre zu machen.
In recht hübschen Farben (Texas himmelblau und karierte Hemden dazu, mit leichtem Zug ins Mexikanisch-Grellbunte – man möchte sofort ein Fried Chicken dazu verlangen) wird die Geschichte von Starlene und Watty erzählt, die sich auf der Flucht aus einem Ort in Texas Richtung Mechiko befinden. Daß sie dabei nicht durch Lynchville oder Big Tuna kommen und nicht auf Sailor and Lula Darling treffen, ist eine Art Wunder.
Offiziell wird der Film immer mit „True Romance“ verglichen und der Regisseur mit dem hübschen Namen C.M. Talkington zum kleinen Bruder von Quentin Tarrantino erklärt, aber der Mann strebt zu Höherem: Nicht das kühle Chicago im Neonlicht, sondern die halluzinogene Landschaft des Deep South; er will ein bißchen Drogenflair aus dem „Drugstore Cowboy“, die Gewaltorgien aus „California“, und sein White-Trash-Paar ist nicht ganz so „Wild at Heart“, wie es der Landschaft zu Gesicht stehen würde. (Ein Schauspieler aus Lynchs Gruselkabinett traut das Paar, während im Fernsehen ihre Steckbriefe zu sehen sind).
Sehr luschtig und zugleich ins Herz dieses neuen Anti-Sixties- Impulses führend ist die Szene, als die Frischvermählten bei Mutter vorstellig werden. Mom ist hip und ein bißchen verrückt, sie lebt auf einer Art Farm mit ihrem Freund Virgil, der sich bei genauerem Hinsehen als niemand Geringerer denn Peter Fonda entpuppt, allerdings in Form eines Peter-Fonda-Airbags. Wann ist der Mann bloß so aufgedunsen? Jedenfalls heißt es von Virgil, er habe sich in den Sechzigern einem pharmazeutischen Drogenexperiment zur Verfügung gestellt mit dem Resultat, daß er seine Stimme verloren habe. Virgil kann jetzt nur noch metallisch-blechern durch ein Elektro-Sprachrohr sprechen. In knarzendem Ton sagt er dann dauernd, pfanneküchlich grinsend: „Far Out!“, „Right On!“ oder „The only way out is in“ und so weiter, und das junge Paar der Neunziger nickt begütigend. Wenig später fallen die vertrottelten Hipsters den nachrückenden Bösewichtern vom lokalen Drogensyndikat in die Hände, und man sieht dann, was die Merry Pranksters von ihrer Friedfertigkeit hatten. Nicht direkt daß man Feind wäre mit den Sixties, man nimmt sie nur nicht recht für voll, schon gar nicht für die eigene Love Parade. Aber wer will schon irgendwo herkommen. mn
Fantasy Filmfest, noch bis zum 10.8. im Filmpalast, Eiszeit & Brotfabrik.
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