Es geht rund in Polens Äther

■ Erste Fernsehlizenz wieder suspendiert / Inhaber wird in Österreich per Steckbrief gesucht / Walesa und die Kirche mischen beim privaten Rundfunk kräftig mit

Zunächst schien alles in Butter: Zygmunt Solorz kam, sah und siegte – bei der Vergabe der ersten polnischen Fernsehlizenz. Seit März sendet er, doch jetzt ist Solorz die Genehmigung erst einmal los, das Oberste Verwaltungsgericht in Warschau hat sie suspendiert. Unterstützt von den regierenden Sozialdemokraten, will Solorz dennoch weitersenden, bis das Gericht im September endgültig über die Klage seiner zu kurz gekommenen Konkurrenten entschieden hat.

Der unbekannte Mann aus Wroclaw (Breslau) hatte beim Rennen um die erste landesweite Fernsehlizenz so renommierte Mitbewerber wie Time-Warner, Bertelsmann und Reuters ausgestochen. Begründung des Fernseh- und Rundfunkrats: Polsat sei „rein polnisches Kapital“. Weshalb allerdings Notar, Handelsregister und einige Behörden Polsat-Besitzer Solorz als „Bürger der BRD“ registrierten, ist bis heute ungeklärt.

Unmittelbar nach der Lizenzvergabe kam ans Tageslicht, daß der geheimnisvolle Geschäftsmann darüber hinaus zu kommunistischen Zeiten über insgesamt acht polnische Pässe, ausgestellt auf die Namen Krok und Solorz, verfügte und sich in Deutschland des Aliasnamens Piotr Podgorski bedient hatte, unter dem er von der österreichischen Polizei wegen Zoll- und Devisenvergehen steckbrieflich gesucht wird.

Es ließ sich nicht lange verheimlichen, daß diese Informationen auch in einem Geheimbericht des polnischen zivilen Nachrichtendienstes UOP standen, der Walesa, Premier Pawlak und dem Landesfernsehrat vorgelegen hatte. Zitat: „Aus den vorhandenen Unterlagen geht hervor, daß der Hauptteil der Mittel, über die Solorz zur Zeit verfügt, aus dem Waschen schmutziger Gelder stammt, die wahrscheinlich der sizilianischen Mafia gehören, denn ein Teil der finanziellen Operationen lief über eine Bank in Messina (Sizilien), die den italienischen Diensten bekannt ist.“

Für den Fernsehrat war das kein Grund, Solorz die Lizenz zu verweigern. Inzwischen beschäftigen sich aber bereits zwei Staatsanwaltschaften in Polen mit Solorz und dem Finanzgebaren seiner zahlreichen Firmen. Auch Präsident Walesa lief Sturm und berief den Ratsvorsitzenden Marek Markiewicz ab, was er allerdings, so erkannte das Verfassungsgericht, gar nicht durfte.

Inzwischen hat der Machtkampf um die Lizenzen schon den dritten Fernsehratsvorsitzenden nach oben gespült. Mehrere Konkurrenten von Polsat klagten gegen die Polsat-Konzession vor dem Obersten Verwaltungsgericht. An den Kulissenkämpfen um mehr Einfluß auf die Medien beteiligte sich auch die katholische Kirche. Sie drückte über den erzkatholischen Lubliner Professor und zeitweiligen Fernsehratsvorsitzenden Ryszard Bender eine landesweite Lizenz für den Sender „Radio Maryja“ in Thorn durch, der von Redemptoristen, einer katholischen Kongregation, betrieben wird. Auch die Franziskaner von Niepokalanow, dem Heimatort von Maximilian Kolbe, dürfen von dort nun ein Lokalprogramm senden.

So richtig rund ging es in Polens Äther aber erst, als sich herausstellte, daß Polsat überhaupt das Geld für sein ehrgeiziges Unternehmen fehlte. Da sprang ausgerechnet die Universal AG ein, eine in Polen ebenso berühmte wie berüchtigte Außenhandelsfirma, aus dem Dunstkreis von Geheimdiensten und ehemaliger kommunistischer Nomenklatura. Gegen mehrere ihrer Chefs und leitenden Angestellten wurde bereits wegen Veruntreuung staatlicher Gelder, Verwicklung in die illegale Vergabe von Casino-Konzessionen und Devisenvergehen ermittelt. Ein Teil der Verfahren ist noch in der Schwebe.

Die Universal AG, die unter anderem im Waffenhandel tätig ist, erwarb für insgesamt ca. 25 Millionen DM 20 Prozent der Polsat-Aktien. Das Geld entstammt einer Kapitalerhöhung von Universal an der Warschauer Börse. Am vergangenen Montag hat jetzt das Oberste Verwaltungsgericht die Polsat-Konzession suspendiert, bis zur Urteilsverkündung über die Klage der Konkurrenz. Polsat sendet trotzdem weiter. Nach dem Urteil attackierten zwei Vertreter des Fernsehrats in den Polsat-Nachrichten die Richter über den Bildschirm.

Trotz aller Enthüllungen über Solorzs bewegte Vergangenheit hat der Rat bisher ebenso seine schützende Hand über Polsat gehalten wie Polens regierende Sozialdemokraten, die den Justizminister stellen.

Die Firma Bertelsmann, die gegen Polsat das Nachsehen hatte, wird sich nun an der polnischen Pay-TV-Tochter des französischen Canal+ beteiligen, der für mehrere polnische Großstädte eine Lizenz für codierte Programme erhielt. Beide Unternehmen haben einen Kooperationsvertrag geschlossen, der gemeinsame Investitionen in Höhe von insgesamt 700 Millionen DM vorsieht. Für die anderen Kandidaten besteht die Möglichkeit einer Kooperation mit polnischen Lokalsendern, von denen einige bereits eine Lizenz erhalten haben.

Weiter aktiv bleibt in Polen auch Nicola Grauso, Geschäftspartner von Silvio Berlusconi und Besitzer mehrerer lokaler Piratensender, deren Tätigkeit von den Behörden bisher bis zur Vergabe aller Konzessionen geduldet wurde. Trotz seiner ebenfalls dubiosen Strohmannkonstruktionen erfreut er sich seit neuestem der Unterstützung Walesas. Der Kampf der Politiker um Einfluß auf die Medien hat einen ganz konkreten Hintergrund: Nächstes Jahr finden in Polen Präsidentschaftswahlen statt. Klaus Bachmann, Warschau