■ Das Portrait
: Patriarch Pavle

Der Patriarch der serbisch- orthodoxen Kirche kennt seine Schäfchen: Die Serbenführer Slobodan Milošević und Radovan Karadžić, die Freischärlerbosse Vojislav Šešelj und Željko Raznatović alias „Arkan“, sie alle und noch andere sprechen bei dem alten Herrn gerne vor, wenn sie Probleme haben.

Als Vermittler jeder Art hat sich das Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche längst einen Namen gemacht. Seitdem er 1990 – erstmals in der serbischen Kirchengeschichte – seinen Vorgänger Patriarch German aufgrund „fehlender Volksnähe“ absetzten ließ und selbst das Zepter übernahm, war der 79jährige stets zur Stelle, wenn es unter Serben zu ernsten Konflikten kam. Er vermittelte vor zwei Jahren zwischen Belgrader Demonstranten und dem Regime, beschwichtigte streikende Bergarbeiter und erboste Bauern ebenso, wie er sich einmischte, wenn es in der Armee oder im Parlament zu Machtkämpfen kam. Das Ergebnis war stets das gleiche: Wenn der ergraute Fürst auftrat, dann legten sich die Proteste, dann kam es im Parlament zu einem Kompromiß.

Ob in diesen Fällen nur der serbische Mythos, wonach „das Serbentum nur mit einer Stimme spricht“, eine Rolle spielt oder ob es wirklich an Pavles genialen Vermittlungsfähigkeiten liegt, ist für Außenstehende schwer nachzuvollziehen. Dieser Tage versucht Gojko Stoičević, so der bürgerliche Name Serbiens PatriarchFoto: Reuter

des Kirchenvorstehers, zwischen den bosnischen Serben und jenen im Mutterland zu vermitteln – zum Wohlwollen des bosnischen Serbenführers Karadžić. Dieser weiß: Solange sich der Patriarch für eine „faire Lösung für alle Serben“ einsetzt, ist das wirtschaftliche und militärische Zerwürfnis mit Belgrad nur halb so schlimm, wie es international dargestellt wird.

Und soweit aus Karadžićs Amtssitz bekannt wurde, hat Schlichter Pavle auch „Verständnis für das Zaudern der bosnischen Brüder“ empfunden, den internationalen Friedensplan für Bosnien in seiner jetzigen Form anzunehmen. Scharfe Kritik am Verhalten der Karadžić- Mannschaft kam dem geistigen Serbenführer nicht über die Lippen. Vom „Kampf des serbischen Volkes um seine Existenz“ war die Rede, von der Verteidigung serbischen Bodens und natürlich davon, daß die Serben „ihren tiefsten christlichen Grundsätzen“ treu geblieben seien. Balsam für Karadžić, der sich in seinem Trotz bestätigt sieht, keinen Frieden zu suchen. Karl Gersuny