Die verlassene Regierungsstadt

■ Die neuen Standorte für Ministerien: aggressive Architektur und isolierte Orte

Das heiße Sonnenlicht, das in den vergangenen Tagen Tausende in den Schatten grüner Bäume oder bunter Markisen führte, trieb den Fotografen Eric-Jan Ouwerkerk an Orte künftiger Ministerien: das Wirtschaftsministerium, das Finanzministerium, das Amt für Verteidigung, das Innenministerium und das Familienministerium. Die Standorte in Mitte hatten ihn befremdet. Nicht im wechselnden Licht des Tages bannte er sie auf Zelluloid und ohne raffinierte Optik, sondern im grellen direkten Mittagsstrahl, ohne Menschen, so, als wäre die Stadt ausgestorben. Aus dieser Perspektive erscheinen die Verwaltungsblöcke der früheren Reichshauptstadt und die Ministerien der kommenden, architektonisch gesehen, als etwas Schreckliches. Mauern und Giebel, Fenster, Gesimse und Ornamente bilden starre unnachgiebige Wände, deren monströse Häßlichkeit dem Betracher regelrecht entgegenspringt. Vor den Bauten ist darum kein Ort zum Verweilen, zum Flanieren. Es gibt kein Schatten, keine Winkel und Ecken – und keine Menschen.

„Faschomäßig“, sagte die Redakteurin. Daß sie recht hat, verdeutlicht ein Blick ins Geschichtsbuch der Gebäude. Sind die einstige „erweiterte“ Reichsbank, Görings Luftfahrtsamt und Goebbels Propagandaministerium klare nationalsozialistische Identifikationsobjekte, so prägen im Objektiv das einstige Reichsversicherungsamt von 1894 und die Deutsche Bank von 1908 ihre Umgebung mit einem harten gleichförmigen Brutalismus.

Angst hat der Fotograf vor den Bauten nicht. Aber in ihrer bildfüllenden steinernen Massigkeit werden sie befragt, wie darin demokratische „gläserne“ Ministerien Platz finden und öffentlich sein wollen. Schwer vorstellbar, daß da ein Besucher nicht kleingemacht wird im Kommandoton exerzierender Staatsdiener. Selbst das gutgemeinte Kalkül der Berliner Stadtentwicklung, die Ministerien in bestehende Altbauten zu stecken, sie in der Mitte unterzubringen, um Stadt und Staat nebeneinander und nicht gegeneinander zu sehen, geht in den Abbildungen nicht auf. Regierungsbauten in der durchmischten Metropole stellt man sich anders vor. Für Ouwerkerk bleiben die großen Häuser festungsartige isolierte aggressive Herrschaftsbunker, die schwer anderes sein können. Das Leben ist ihnen abhanden gekommen. Das zeigen schon die Graffiti am Sockel der Treuhandanstalt – bald das Finanzministerium –, die wie hilflose Chiffren der Subkultur wirken. Die verlassene Regierungsstadt, in der normierter kafkaesker Gleichklang herrscht, könnten die Fotos überschrieben sein. Rolf Lautenschläger