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Menschen wie du beziehungsweise ich: Kracher Von Claudia Kohlhase

Im Prinzip muß es im Leben krachen. Nur wenn's kracht, dann hört man auch was. Zum Beispiel, daß man was im Mund hat. Sagt jedenfalls der Crisp. Der Crisp ist zwar auch bloß Knusperreis, aber er kann krachen, daß es alle Hormone hören und sich auf die Socken machen.

Wenn's also kracht, hört der Mensch, daß er ist. Früher dachte der Mensch noch, er sei auch so. Sogar, wenn er Schokolade aß. Was heißt aß: Da kroch doch nur der Schmilz durch die Zähne und machte geräuschlos mümmelig. Aber jetzt! Jetzt, seitdem ich den Crisp esse, ist mir auf einmal so frohgemut. Kaum ergreift mein Schneidezahn den Crisp, richtet sich mein unteres Aktivitätszentrum auf — eben weil es mich weiter oben krachen gehört hat. Denn Krachen bedeutet Aktivität!

Das ist keine Einbildung, sondern erforscht von der Crisp-Wissenschaft. Und heißt im Klartext: Der Kracher im Mundbereich setzt sich via Schallwelle in meinen Bewegungsapparat fort und fordert Genugtuung. Schon fange ich an zu federn und will etwa Tennis spielen. Crisp-Menschen sind nämlich aktive Menschen, die auch gerne joggen, jedenfalls, nachdem sie einen Trip Crisp eingeworfen haben. Normalerweise essen solche Menschen ja keine Schokolade, außer Yoghurette, nachdem sie vom Dreimeterbrett gesprungen und innerlich außer Rand und Band sind.

Ehrlich gesagt, ist es schon etwas komisch, daß der Crisp ausgerechnet in Schokolade vorkommt, wir erinnern uns, Gefahr des Mümmelns. Aber der Crisp überknackt ja den Schmilz und macht ihn quasi unschädlich. Will da noch jemand freiwillig langweilig, also passiv sein, wo er genausogut sagenhaft, also aktiv sein könnte? Und zwar allein durch ein bis zwei Crisps?

Nein. Und wenn doch, könnte der Bundesgesundheitsminister, sollte es ihn tatsächlich geben, den Crisp zur Pflichtnahrung erheben. Ein aktives Volk wäre die Antwort, worauf, ist ja egal. Eventuell ist es auch längst soweit, und es weiß bloß keiner. Dabei läßt vieles darauf schließen: hat zum Beispiel jemand in letzter Zeit Trauben- Nuß gesehen? Eben. Da kracht zwar auch was, aber dazwischen quietscht's, was eindeutig von der verdrucksten Traube kommt, die Mümmelgefahr des Schmilzes erheblich unterstreicht und einen verklumpt, so daß man nicht mehr aufrecht denken kann.

Wir merken: Crisp ist, was sein muß. Ohne Crisp, dieses locker brausende Krachen im inneren Gebälk, geht nichts mehr. Crisp gebiert tief drinnen im Menschen den neuen Menschen: den hart zubeißenden, den hart zudenkenden Menschen. Den Gegenmenschen zum Weichei. Weicheier denken glibberig und essen heimlich Nougat und manchmal Trauben-Nuß, um sich zu tarnen. Aber man hört es am hohlen Ton, daß es sich hier um taube Nüsse und nicht um echte Crisps handelt.

Denn nur echter Crisp ist Crisp und kracht solange crisplich, bis einem Hören und Sehen vergeht und man notgedrungen der neue Mensch, also der personifizierte Kracher wird.

Die Fortsetzung des Crisp mit anderen Mitteln wird kommen. Schließlich läßt sich ein Crisp noch in ganz anderen umwickelten Riegelsystemen ansiedeln. Dann wird es überall knacken und krachen, und keiner darf mehr vor sich hinmümmeln. Crrsssp. Krrk.

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