Würden Sie hier investieren?

Die Sanktionen gegen Südafrika sind zu Ende, die Investoren bleiben trotzdem aus  ■ Von Willi Germund

Bei der „Amerikanischen Handelskammer in Südafrika“ gibt man sich zuversichtlich. „Natürlich kommen die Investoren aus dem Ausland,“ heißt es. 18 Firmen seien seit Jahresbeginn neu aufgenommen worden – bei einer Mitgliederzahl von etwa 300 Unternehmen. Die Deutsch-Südafrikanische Handelskammer betont in ihrem „Leitfaden für Investoren und Exporteure“ vom Oktober 1993 schon auf der ersten Seite: „Südafrika ist traditionell ein Land, in das es sich zu investieren lohnt. Erträge aus Investitionen gehören weltweit zu den höchsten.“

„Würden sie denn gegenwärtig hier investieren?“ fragt dagegen Götz Hagemann von der Commerzbank in Johannesburg. Seine Firma hat mittlerweile den normalen Bankbetrieb in Südafrika aufgenommen. Aber bisher klopften allenfalls mittelgroße Unternehmen aus Deutschland an, die sich zwar interessiert zeigen, aber noch keine Entscheidung über ein neues Engagement gefällt hätten. „Bei rund 330 deutschen Firmen im Land ist auch kaum noch Platz für andere“, mutmaßt Hagemann.

Zumal aufgrund der Monopolstruktur der südafrikanischen Wirtschaft der Zugang für Außenseiter ohnehin schwierig ist. Rund 80 Prozent der an der Börse gehandelten Aktien gehören direkt oder indirekt fünf Konzernen. Azar Gammine, Chefökonom des Wirtschaftsinstituts Econometrix in Johannesburg, zieht drei Monate nach der Amtsübernahme durch die Regierung von Nelson Mandela eine ernüchternde Bilanz: „Weder von ausländischen noch inländischen Investitionen ist bisher viel zu sehen.“

Dabei hatte sowohl die abgelöste Regierung von Frederik de Klerk wie der ANC rund um den Machtwechsel im April nichts unversucht gelassen, um Privatunternehmer anzulocken. Die Frage der Verstaatlichung von Unternehmen, so beschied Mandela fast jedem Besucher, sei völlig vom Tisch. Ins Kabinett kamen ANC- Vertreter, die als gemäßigt gelten und sich gut mit der Wirtschaft verstehen. Und Mandela betonte immer wieder, daß Südafrika Investitionen brauche, um die Erwartungen der Bevölkerung in die frischgebackene Demokratie nicht zu enttäuschen. De Klerk reiste zudem im Juni unter anderem nach Deutschland, um vor rund 100 Spitzenvertretern aus Industrie und Handel zu werben.

Aber das Mißtrauen ist weit stärker als alle Argumente. „Die Furcht, daß das Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramm zu überhöhten Staatsausgaben führen könnte, ist groß“, sagt Gammine.

Spielen unter dem ANC die Gewerkschaften verrückt?

Finanzminister Derek Keys versprach zwar gegenüber Weltbank und Weltwährungsfonds, das jährliche Budgetdefizit unter 6,6 Prozent des Bruttosozialprodukts zu halten. Aber er wird im Oktober sein Amt aufgeben. ANC-Wirtschaftsexperten rechnen mit einem Defizitanstieg auf über sieben Prozent. Zudem scheinen die gegenwärtigen Arbeitskämpfe in Südafrika, die fast die gesamte Autmobilindustrie lahmlegten, die Sorge zu bestätigen, daß unter einer ANC-geführten Regierung die Gewerkschaften verrückt spielen könnten. „Die alten Führer sind Parlamentarier geworden“, sagt Gammine, „die neuen wollen ihren Mitgliedern nun zeigen, was sie wert sind.“

Götz Hagemann von der Commerzbank glaubt dennoch, daß Südafrika ein Platz zum Investieren sei. „Selbst als Sprungbrett für das restliche Afrika eignet sich dieses Land“, sagt er. Aber Südafrikas Demokratisierung kommt zu einem Zeitpunkt, da die internationale Konkurrenz um Investoren stark ist. Die Unternehmer am Kap verweisen zudem darauf, daß in den letzten Jahren die Lohnkosten stark gestiegen seien, während die Produktivität international kaum mithalten könne. Doch dies hat sich die Wirtschaft am Kap selber zuzuschreiben. Schlechte Ausbildung zu Apartheid-Zeiten führte zu schlechter Arbeitsqualität. Wegen der internationalen Isolierung arbeiteten Unternehmen mit anderswo ausrangierter Technologie weiter. Automobilfirmen wie Volkswagen bieten heute noch Golf-Modelle aus den Urzeiten des Käfernachfolgers an.

Rund 15 Milliarden Mark soll das Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramm (RDP) der Regierung Mandela über die kommenden zehn Jahre verschlingen. Im Zentrum stehen Wohnungsbau und andere Bemühungen, den Lebensstandard der südafrikanischen Bevölkerung zu stärken. Rund 50 Prozent der 30 Millionen Schwarzen am Kap leben derzeit unter der Armutsgrenze. Doch bisher läßt die Umsetzung noch auf sich warten – auch das ein Grund für ausbleibende Investitionen.

Experten hegen die Sorge, daß der mit dem Aufbauprogramm verbundene Kapitalbedarf der Regierung die Inflation wieder anheizen könnte. Ein Wirtschaftsfachmann kritisiert zudem: „Die müssen endlich aufhören, die internationalen Institutionen vor den Kopf zu stoßen.“ Gemeint ist die ursprüngliche Weigerung der Regierung, mit der Weltbank und dem Internationalen Weltwährungsfonds zusammenzuarbeiten.

Die dadurch entstandenen Verzögerungen verhinderten bisher auch die Neubewertung der Kreditwürdigkeit für Südafrika durch diese Organisationen. Pretoria hofft auf eine Einstufung als verläßlicher Kreditnehmer, um niedrigere Zinsen eingeräumt zu bekommen. Anzeichen deuten allerdings auf eine Enttäuschung für Südafrika hin. Bankierskreise rechnen mit der Einstufung als „BB“-Land – das entspricht dem Standard, den Ungarn besitzt.

Einen kleinen Erfolg wird die Regierung wohl aber bald vermelden können. Ford verhandelt derzeit mit südafrikanischen Autoherstellern und Ministerien, um nach sechsjähriger Abwesenheit wieder in Südafrika Fuß zu fassen.