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■ Langsames Deutsch: „Zwei Männer“, ein Ost-West-Film

Gummistiefel, Klappstühlchen und Angelrute: Zwei ältere Männer auf Großwildjagd am deutschen See. Der eine, Karl- Heinz, ging nach Kriegsende als einziger seiner Familie in den Westen. Er ist der Vater der Regisseurin Dagmar Benke. Der andere, ihr Onkel Manne, blieb im Osten und verteidigte die Republik. Die Brüder haben sich über dreißig Jahre nicht gesehen. Schon weiß der Zuschauer, worum es in diesem Film geht – um ein Thema mit der Attraktivität eines lauwarmen Bieres. Reden über „deutsch-deutsche Befindlichkeit“, eine wirkungslose Phrase, bei der man durchaus aufjaulen möchte.

Dagmar Benke wollte es anders, nämlich privat und konkret: Familiengeschichte als Gesellschaftsgeschichte – im Regentropfen spiegele sich gewissermaßen die Welt. Den Lebensweg von Vater und Onkel versteht sie offensichtlich als Paradigma für die Assimilation des Individuellen an den Staat, in dem man sich einrichtet. Karl-Heinz wurde Lehrer und Leiter einer Grundschule, saß im Kreistag und praktiziert westliche Demokratie. Onkel Manne wäre gern zur See gefahren, chargierte einige Zeit als Kleindarsteller bei der Defa und brachte es schließlich zum Oderschiffer. Er wechselte bald darauf zur Bereitschaftspolizei, später wurde er dann Grenzer bei der Nationalen Volksarmee. 25 Jahre diente er, zuletzt stand er als Major der Grenzsicherung um Berlin, von Stolpe-Süd bis Schönefeld, vor. Sein Beruf verbot Kontakte zum Bruder im Westen.

Nun sitzen die beiden Brüder also am See und sollen über Freiheit, Diktatur und Demokratie reden. Man spürt, daß die Harmonie zwischen ihnen eine hergestellte ist, wackelig und neu. Unsicher äugt man in die Kamera. Die gepflegte Eloquenz von West-Karl-Heinz läßt Ost-Mannes Artikulationsschwierigkeiten noch kläglicher erscheinen. Die Regisseurin hilft den beiden Delinquenten nicht so recht aus ihren Verlegenheiten. Die Mosaiksteinchen aus Erzähltem schwimmen, das Ganze verwischt. Langsam erst kommt der Film auf den Punkt. Das große Auto als Traum, im Westen ein Mercedes, im Osten ein Lada. Man lebte, je nach Angebot, einem bescheidenen Wohlstand entgegen. Die Schlagwörter des Systems nahm man in Kauf.

Benkes Film ist schön fotografiert, reicht aber nicht übers Illustrative hinaus. Wenn Manne zur Oderschifferei kommt, sieht man einen Lastkahn auf dem Wasser schaukeln, ist vom Fliegen die Rede, dann folgen Flugzeughallen vor azurblauem Himmel und Haare im Wind. Beim Kapitel „Manne als Grenzer“ spaziert man über verlassenes Armeegelände. Die Bebilderung stützt den pädagogischen Gestus. Man weiß immer schon vorher, wozu es diesen Film gibt und was als nächstes kommen wird. Das beschert eben nur minderes Vergnügen und mindere Erkenntnis, wie jede Art abgelatschte Stellvertretersymbolik. Eine ohne diesen Ehrgeiz erzählte Geschichte wäre wohl um einiges lebendiger ausgefallen. Anke Westphal

„Zwei Männer“, R.: Dagmar Benke, 96 Min., am 14. 8. um 20 Uhr im Babylon-Mitte.

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