Die Zeit der Pseudo-Ökoprodukte ist vorbei

■ Die altbewährte Methode, um an Bio-Lebensmittel ranzukommen, heißt: rein in den Bioladen / Die neue lautet: in einer Food Coop einkaufen oder gleich selbst eine gründen

Schluß mit knallroten Gentomaten, Schluß mit eingeschweißtem Plastikkäse und nie wieder Verpackungsmüll. Die Rinder sind voll Wahnsinn, für Kosmetikprodukte müssen Tiere leiden, und Einkaufen macht sowieso keinen Spaß. Die Alternative: biologisch, ökologisch und umweltbewußt – die magischen Zauberwörter der letzten Jahre.

Und wo „Bio“ draufsteht, sollte mittlerweile auch „Bio“ drin sein. Seit 1993 bestimmt die EG-Verordnung Nr. 2092/91, daß nur Produkte als „ökologisch“, „biologisch“ und „organisch“ gekennzeichnet sein dürfen, die auch tatsächlich aus dem ökologischen Landbau kommen oder zumindest zu 95 Prozent mit Zutaten aus ökologischem Landbau hergestellt wurden. Die Zeit der Pseudo- Ökoprodukte ist also vorbei. Und die Gemeinde der Ökofreaks wächst und wächst. Viele wollen nicht nur essen, sondern wissen, wo es herkommt.

Der Schlachtruf im Kampf für die gesunde Ernährung lautet: raus aus den unpersönlichen, neonbeleuchteten Gängen der Supermarktketten. Aber wohin? Der „Bio-Markt“ ist groß.

Die altbewährte Methode heißt: rein in den gesund riechenden Bioladen. Vor rund 20 Jahren entstanden in Berlin die ersten Bioläden, mittlerweile sind es rund achtzig. Auch im Ostteil der Stadt ist ihre Zahl nach der Wende von null auf gut zwanzig gestiegen.

Aber der Bioladen ist teuer und nicht die einzige Möglichkeit, biologische und ökologische Produkte auf den Tisch zu bekommen. Fast schon genauso lange gibt es die „Food Coops“. Die Idee: Bioprodukte ohne den Umweg über die Ladentheke, billiger als im Bioladen und direkter an die Leute zu bringen. Eine Food Coop gründen kann jeder. „Oft sind es junge Leute, die mehr Zeit als Geld haben“, sagt Antje Lutz, die selbst in der Coop „Kopf und Bauch“ in Wedding mitmacht. Wedding ist mit acht Coops der Spitzenreiter unter den Berliner Bezirken. Aber auch in Reinickendorf, wo nicht so viele StudentInnen mit viel Zeit und wenig Geld wohnen, gibt es mittlerweile schon zwei Food Coops. „Auch viele Familien mit Kindern machen sich Gedanken über Ernährung und haben eine Coop gegründet“, so Antje.

Mit dem Fall der Mauer stieg auch die Zahl der Food Coops in Berlin rapide. „Mittlerweile ist Berlin Spitzenreiter“, so Food Coopler Lutz Helmke aus Wedding. Zu Vorwendezeiten gab es in Westberlin nur rund zwanzig Coops, die ihre Biosachen zum Großteil aus dem Wendland bekamen, jetzt sind es in Gesamtberlin etwa siebzig, davon 15 in Ostberlin. „Es machen sich halt immer mehr Leute Gedanken über gesunde Ernährung“, meint Lutz Helmke. Und seit der Wende stellten sich im brandenburgischen Umland immer mehr Höfe auf ökologischen Landbau um. Laut brandenburgischem Landwirtschaftsministerium bezeichnen sich zur Zeit 128 Höfe als Ökohöfe.

Zu den meisten dieser Höfe kann man auch selbst hinfahren, beim Ernten helfen oder sich einfach nur umgucken und einkaufen.

Und wem die Fahrt raus aufs Land schon zu umweltschädigend erscheint, der kann sich auch beim Ökobauern einen „Abokorb“ bestellen. Der Melchhof im brandenburgischen Melchow zum Beispiel liefert zweimal die Woche Abokörbe in verschiedene Berliner Bezirke. Wer ein Abo hat, muß seinen Magen allerdings auf die Jahreszeiten einstellen. Schluß mit Erdbeeren im Herbst und Äpfeln im Frühling, im Abokorb ist nur, was Acker und Baum gerade hergeben. Einzige Bedingung: Geliefert wird erst bei einer Mindestabnahme von fünf Körben.

Und wem das alles zu kompliziert ist, der kann immer noch auf einen der drei Berliner Ökomärkte gehen: am Dienstag im Wedding auf dem Leopoldplatz, am Donnerstag in Pankow in der Breiten Straße und am Samstag in Kreuzberg auf dem Chamissoplatz. Patricia Pantel

Kontaktadresse „Food Coops“: Lutz Helmke, Antwerpener Straße 5, 13353 Berlin. Infoheft „Ökohöfe“: Grüne Liga Landesverband Brandenburg e.V., Hegelallee 6–10, Haus 2, 14467 Potsdam